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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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es sich bei dem Geretteten nicht um einen Sohn der Wüste handelte, war auch den Beduinen klar, deren Anführer sich des Mannes angenommen hatte, nachdem das Königliche Paar kein weiteres Interesse an ihm zeigte. Von seiner Kleidung her zu schließen, war er sicher ein Städter, und wahrscheinlich auch kein Araber, wenngleich er den Dialekt der Kurden gut beherrschte. Er gab sich als Kaufmann aus, der unter Räuber gefallen sei, grad' sein Leben habe er dank des treuen Reittieres retten können. Der Ton von Betroffenheit, ja Trauer über den Verlust, versöhnte die ihn umringenden Beduinen, und sie drangen nicht weiter in ihn. Er war ihr Gast.
    In Wahrheit stand der hinkende Naiman in ägyptischen Diensten, war Spion der Mamelucken, die dringend in Erfahrung zu bringen wünschten, welches die nächsten Schritte der Mongolen sein könnten, vor allem, welche Absichten sie bezüglich des Sultansthrones von Kairo hegten. Dass sich der Il-Khan Syriens bemächtigte, war vorerst nicht mehr zu verhindern, doch damit wurden diese unersättlichen Eroberer zu Nachbarn, deren Gefährlichkeit -im Gegensatz zu den verstrittenen Ayubitenherrschern von Homs, Hama und selbst Damaskus -
    nicht zu unterschätzen war. Naiman hatte das Vorwärtsdrängen dieser Kriegswalze beim Fall von Aleppo miterlebt, wo es ihm nur mit knapper Not gelungen war, seine eigene Haut zu retten, indem er sich unter das Gefolge des Gouverneurs schmuggelte, dem wider alles Erwarten freier Abzug gewährt wurde. In Aleppo hatte er auch zum ersten Mal - nach langer Zeit - von dem ziemlich unglaubwürdigen Gerücht über das
    Wiedererscheinen des Königlichen Paares gehört. Er, Naiman, hatte Roc und Yeza seit den turbulenten Ereignissen von Jerusalem und ihrem Verschwinden in jenem Sandsturm nicht für verschollen, sondern für tot gehalten und dies beruhigende Ergebnis auch nach Kairo gemeldet. Dann verdichteten sich die Hinweise, sie seien in Kurdistan gesichtet worden, und er hatte sich auf den Weg gemacht, denn es war ihm äußerst peinlich, seinem Herrn, dem Sultan, eine Falschmeldung geliefert zu haben, dazu eine von solcher Tragweite. Da verstanden, wie er wusste, die Mamelucken keinen Spaß, weder Sultan Qutuz noch sein Generalissimus Bai-27
    bars »der Bogenschütze«! Falls Roc und Yeza tatsächlich noch unter den Lebenden weilten und er, Naiman, seinen Kopf retten wollte, dann musste er dafür sorgen, dass seine voreilige Nachricht sich schnellstens bewahrheitete! Naiman hatte lange genug die intrigengeschwängerte Luft der Paläste von Kairo geatmet, um nicht genau zu wissen, was die Mameluckenherrscher angesichts des Königlichen Paares in heftige Besorgnis versetzte. Sollten Roc und Yeza in einem zweifellos genialen Schachzug der Mongolen - das musste er neidlos anerkennen - in Syrien auf den Thron gehoben werden, dann würde das nicht nur eine Stärkung - weil Befriedung! - des christlichen Königreiches bedeuten, sondern es bestand auch die imminente Gefahr, dass die versprengten und oftmals untereinander verfeindeten Ayubiten, diese nichtsnutzigen, aufrührerischen Nachfahren des großen Saladin, sich unter solch lockerer Oberherrschaft vereinten, mit den fränkischen Baronen Frieden schlössen und gemeinsam mit den Mongolen sich gegen Ägypten wenden würden. Einer derartigen, geballten Übermacht hätten dann die Mamelucken - in den Augen vieler Ayubiten immer noch dreiste Usurpatoren der Macht am Nil! - wenig entgegenzusetzen. Also musste dieses unheilige, aber leider charismatische Königliche Paar vom Schachbrett gefegt werden. Und zwar unverzüglich!
    Nun war der hinkende Agent kein Mann der Tat im Sinne der zupackenden eigenen Hand. Selbst einen todbringenden Dolchstoß zu führen war ihm zuwider, allenfalls Gift war für ihn vorstellbar, aber lieber ließ er auch solche Handreichungen von anderen besorgen. Naiman war ein geborener Intrigant, er liebte das aufregende Spiel, Fallen zu stellen und Netze auszuwerfen, in denen sich die Leute verfingen, die dann willig das taten, was er ersonnen. Dabei war er keineswegs feige, im Gegenteil, er scheute keine noch so prekäre Situation und vergnügte sich, in den abenteuerlichsten Verkleidungen aufzutreten und durchaus sein Leben zu riskieren, um sein Ziel zu erreichen. So hatte er tagelang in der Wildnis gelauert und wäre tatsächlich beinahe elendiglich verdurstet, bis er endlich die Karawane aus der Wüste auftauchen sah. Stunden hatte er in der glühenden Sonne gelegen und nicht ohne Not
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