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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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also William, und heftet Euch an seine Hacken. Er wird Euch über kurz oder lang zu den Gesuchten führen.«
    Seinem Gegenüber schien die Vorgehensweise, das Einspannen einer solchen Person, weder zu behagen noch dem Selbstverständnis von der Macht der Mongolen angemessen. »Ich hatte eher an Arslan den Schamanen gedacht«, ließ er seinen Besucher wissen, »der bewies schon oft ein magisches Gespür im Auffinden seiner Zöglinge«, erklärte er nicht ohne Stolz. »Seine Fähigkeit, mit ihnen Verbindung aufzunehmen, sollte uns schneller ans Ziel bringen - «
    »Und was hindert Euch, diesen genialen Schamanen längstens mit der Aufgabe betraut zu haben?!« Yves mochte seinen Spott nicht verbergen.
    »Wir wissen nicht, wo er sich zur Zeit aufhält.« Kitbogha war ein mächtiger Mann und konnte es sich leisten, behebbare Schwächen im strategischen Konzept offen zuzugeben. »Der Il-Khan, der erhabene Hulagu, und die Dokuz Khatun erwarten Euch«, verkündete er gelassen und erhob sich.
    ODOAKERS SCHLUCHZEN richtete das Augenmerk Williams auf den irdenen Topf mit den Pilzen. Es roch angebrannt. Statt den vor Rührung zerfließenden Sakristan deswegen mit Vorwürfen zu überhäufen, zerrte der hungrige Mönch kurzentschlossen das Gefäß vom Feuer, und bald darauf schon löffelten die beiden Einsiedler vom Montjoie ihr Mahl, tunkten ihr ausnahmsweise knuspriges Gerstenbrot in den würzigen Sud und schmatzten unter Tränen um die Wette. Schnell versöhnt mit seinem Schicksal glitt der Blick des Franziskaners über das selig leuchtende Jerusalem im warmen Licht der Nachmittagssonne. Ein dürres Männlein kam den Pfad heraufgeschritten, der sich von der Ruine des Kirchleins hinabschlängelte zur Stadt. Es handelte sich um keinen heimkehrenden Pilger, William
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    erkannte den rüstigen Alten sofort. Es war der secretarius venerabi-lis, der Generalbevollmächtigte der geheimnisvollen Bruderschaft, die den Minoriten William von Roebruk unter ihre Fittiche genommen hatte —
    unter ihre Fuchtel! Der Alte war ihr Sprachrohr. Aus den Reihen seiner anonymen Auftraggeber die einzige Person aus Fleisch und Blut, die William je zu Gesicht bekommen hatte, aber sein Wort galt! Lorenz von Orta gab sich zwar - nach seinem Habit zu schließen - ebenfalls und immer noch als schlichter Franziskaner, doch wenn Bruder William sich gelegentlich der Sünden des Fleisches zeihen musste, dann waren es beim Herrn von Orta gewiss die eines notorisch ketzerischen Geistes, und die wogen schwerer! Doch solche aufsässigen Gedanken behielt William lieber für sich! Leichten Fußes erklomm der silberhaarige Greis die letzten Stufen.
    William kratzte schnell den Rest seines Pilzgerichts in der Schale zusammen, wischte sie mit dem Brot aus und stopfte alles hastig schlabbernd ins Maul, nicht, dass er sich schämte, sondern weil er ungern sein karges Mahl mit dem Bruder teilte. Franziskaner sind immer hungrig!
    »Fax et bonum!«, grüßte Lorenz mit überlegenem Lächeln den Mampfenden, der den Gruß mit vollem Mund nicht erwidern konnte. Ohne zu fragen, ließ sich der Herr von Orta am Tisch nieder und nahm einen Schluck Wasser aus Williams Becher. »Wie weit ist deine Totenklage gediehen?«, erkundigte er sich wenig mitfühlend bei William, um dann gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. »Noch solltest du an dich halten, den Gegenstand deines wehleidigen Nachrufes in Tinte und Tränen zu ertränken: Das Königliche Paar soll im Norden des Landes gesichtet worden sein.«
    »Wie das!?«, prustete William ungläubig, er hatte sich verschluckt, und er war empört. »Ich hab sie doch mit eigenen Augen - «
    Der Secretarius schnitt ihm Entrüstung und Lamento ab. »Ich komme aus Antioch« - erklärte er seinen Zuhörern, denn auch Odoaker zeigte augenrollendes Interesse - »dort im Fürstentum geht schon seit einiger Zeit das Gerücht um, Yeza und Roc seien am Leben, ein Schamane habe sie gerettet vor elendem Verdursten in der Wüste ...«

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    »In Antioch wird viel erzählt!« William hatte den letzten Happen heruntergeschluckt und seine Fassung wiedergewonnen. »Und warum schickt man nicht sogleich Ritter in alle Himmelsrichtungen aus?! Muss es nicht dem dortigen Normannenhof als die vornehmste aller Aufgaben erscheinen, das edle Paar -?!«
    »Das Fürstentum hat andere Sorgen«, versuchte der Weißhaarige die Lage zu vermitteln. »Abgeschnitten von den letzten Bastionen der Kreuzfahrer, ist es dem Zugriff der Mongolen ausgeliefert: Es braucht jeden
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