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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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beschrieben - «
    »Diese Stadt der goldenen Tempel in den Höhen schneebedeck-
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    ter Gebirge«, warf Baitschu ein, der bis dahin das Himmelszelt aufmerksam beobachtet hatte, damit ihm keine der gelegentlichen Sternschnuppen entging, »kann ich dort bei diesen kahlköpfigen Mönchen in sonnenfarbenen Gewändern auch lesen und schreiben lernen? «
    »Wichtig ist«, enthob Yves den Schamanen der Antwort, »dass du dort in Demut und Weisheit zum Herrscher erzogen wirst!« Bevor noch der Knabe antworten konnte, setzte Arslan dann lächelnd hinzu: »Du wirst dich selbst erfahren, Baitschu, und dann die richtige Entscheidung treffen, jedes Mal aufs Neue, denn es ist eine Erfahrung ohne Ende - «
    »Aber das Ziel?!«, protestierte der Bretone um Sanftheit bemüht und auch aus Respekt vor dem Alten.
    »Vielleicht ist es der Weg?« Dann schwieg der Schamane, auch Yves starrte lange in das letzte Glühen der Zweige, ohne nach einem fürsorglichen Blick auf den Knaben sich zu einer Antwort entschließen zu können.
    Arslan erhob sich. »Die Entscheidung, den Weg überhaupt zu beschreiten, liegt bei Euch. Ich habe Euch nur die Richtung gewiesen.« Aus dem Schatten der Felsen löste sich der Bär. Der Schamane schritt auf ihn zu und war bald im Dunkel verschwunden.
    Baitschu sah ihm lange nach, bevor er sich an seinen älteren Begleiter wandte. »Zuvor will ich in der Lage sein, das Leben von Roc Trencavel und der Prinzessin Yeza zu erfahren, so wie es William niedergeschrieben hat - «
    »Wenn dir die Nachfolge bestimmt ist, dann wird dir auch die Chronik an die Hand gegeben werden - «
    »Da wäre ich mir nicht so sicher, Yves«, sagte Baitschu, »bedenke ich die Verheißung und das Schicksal des Königlichen Paares, dann könnte es gut sein, dass ich gar kein Fürst werden möchte, sondern nur einer, der lesen und schreiben kann!«
    Der Bretone schaute erstaunt zu dem Knaben auf. »Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg«, sagte er und lächelte.
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    IM HERBST DES GLEICHEN JAHRES 1260 kehrte Sultan
    Qutuz ruhmbedeckt nach Ägypten zurück, doch der Hinweis des alten Kitbogha auf die Treulosigkeit seiner Emire sollte sich noch handgreiflich manifestieren. Baibars erwartete, für seine Verdienste zum Statthalter von Aleppo ernannt zu werden. Qutuz wies diesen Anspruch brüsk zurück. Bei Erreichen des Nildeltas schlugen ihm seine Emire einen erholsamen Jagdausflug vor, den er nicht überleben sollte. Kaum waren sie außer Sichtweite der Truppen, hielten einige von Baibars Freunden den Sultan fest, und Baibars rammte ihm sein Schwert in den Rücken, dann kehrten sie eilends zum Heer zurück. Der raib arkan al sultan, der Stabschef des Sultans, fragte sie, wer den Mord begangen habe? Baibars stand zu seiner Tat und wurde auf der Stelle genötigt, den Thron des Herrschers einzunehmen. Sämtliche Heerführer und Emire huldigten ihm, Baibars zog als Sultan in Kairo ein.
    SULTAN RUKN ED-DIN BAIBARS BUNDUKTAR1 erwies
    sich als ebenso fähig wie konsequent. Mit ihm begann die Vorherrschaft der Mamelucken im vorderen Orient, die andauern sollte bis zu ihrer Ablösung durch das Osmanische Reich. Es konnte nicht ausbleiben, dass sie -
    besonders nach dem misslungenen Versuch der Christen, die Mongolen zu Hilfe herbeizurufen - jetzt als Erstes mit den Kreuzfahrerstaaten an der Küste Syriens aufräumten. Insofern bewahrheitete sich die Befürchtung des Großmeisters des Deutschen Ritterordens. Es sollten keine dreißig Jahre mehr ins >Heilige< Land gehen und Akkon, die Hauptstadt des Königreiches von Jerusalem, musste als letzte Bastion, nach verzweifeltem, stoisch sich aufopferndem Widerstand von den christlichen Verteidigern für immer geräumt werden. Damit ging das große Abenteuer der Kreuzzüge - nach fast zweihundert ruhmreichen Jahren - zu Ende.
    Die Schlacht von Ain Djalud war eine der bedeutendsten Entscheidungen in der Geschichte des vergangenen Milleniums. Der Sieg
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    der Mamelucken rettete den Islam in seinen Kernlanden vor der gefährlichsten Bedrohung, der er sich je gegenübergesehen hatte. Wären die Mongolen bis Kairo vorgedrungen, hätte die Lehre des Propheten sich in Nordafrika nicht halten können, ganz sicher wäre auch in Kleinasien die Entwicklung anders verlaufen. Im Gegenzug wurde das Christentum im Vorderen Orient endgültig zur Marginalie zurückgedrängt.
    Doch die gravierendste Auswirkung hatte diese erste Niederlage der Mongolen in ihrem eigenen, immer noch riesigen Herrschaftsbereich. Binnen
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