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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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Thymian, einem Zweiglein Rosmarin, Oliven und gestampften Maronen wohlig abgerundet, einem hungrigen Magen dampfend vorgesetzt wird.
    Anfangs hatte der Franziskaner sich noch mit gelindem Argwohn an den Ingredienzien seines täglichen Mahls interessiert gezeigt, doch in die Töpfe gucken ließ sich Odoaker nicht, und was seine Rezepte anbetraf, war er keiner klaren Auskunft mächtig, sie hatten ihm die Zunge so weit herausgeschnitten, dass die Laute, die er von sich gab, weitaus eher dazu

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    angetan waren, William den Appetit zu verderben, als etwa ein genaueres Wissen um die Herkunft der Speisen zu geben. Der Sakristan hätte gewiss keinen Hehl aus den Zutaten und der speziellen Zubereitung gemacht, war doch William der einzige Mensch, dem er sich mitteilen konnte. Wie gern hätte er ihn an dem Gedeihen seines Gärtleins teilhaben lassen oder ihn mit den Listen und Tücken der allfälligen Jagd vertraut gemacht, die zur Vervollständigung des Küchenzettels vonnöten waren.
    Odoaker war mit Recht stolz auf seine Küche. Sein Lohn bestand seit langem aus dem Privileg, dass William ihm jeden Tag das vorlas, was er in seiner Turmstube zu Pergament gebracht hatte. Er musste es dem wissbegierigen Sakristan täglich vor dem späten Mittagsmahl, dem einzigen des Tages, zu Gehör bringen, sonst gab es nichts zu essen. An der Reichlichkeit, mit der er seinen Napf gefüllt bekam, mochte der Schreiber zudem ermessen, wie weit er die Erwartung seines einzigen Zuhörers getroffen hatte. Doch auch William profitierte von dieser Symbiose zwischen Kochkunst und der handwerklichen Leistung, die ihm aus der Feder fließen musste.
    Odoaker gab mit starker Mimik und gelegentlichem Röcheln, Husten und heiserem Bellen seinem Gefallen unmissverständlich Ausdruck, lauschte auf besondere Art schweigend, wenn die Spannung auf ihn übergriff, und schämte sich auch keiner Tränen, wenn das Geschehen ihn tief berührte, oder gackernder Lachstöße, wenn er seinen Spaß hatte. Nicht besonders häufig, aber schon einige Male hatte William seinen Text überarbeitet, wenn Odoaker sichtlich gelangweilt war oder ihn verständnislos anglotzte. Der Sakristan war für den Skribenten ein idealer, weil stummer Lektor. Dass William ihm die Seiten nicht einfach zum Lesen gab, lag an der furchtbaren Klaue des Franziskaners, der seine Pergamentseiten so hastig und eng mit Schriftzeichen zu bedecken pflegte, dass er sie kaum selbst zu entziffern imstande war. Und doch bildete diese von beiden Seiten sehnlichst erwartete Köchelstunde, in der die Schwaden verheißungsvoll dem Deckel des Topfes entwichen und Williams immer weiter vorangetriebener Erzählfluss den Odoaker umwaberte, ins Traumreich fremder Welten versetzte, in wilde Abenteuer voll mit Rittern und schönen Frauen, in

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    denen der gedrungene Franziskaner mit seiner recht beachtlichen Wampe und seinem schütteren, rötlichen Haarwuchs nicht selten den strahlenden Helden spielte, längst auch für William den einzigen Moment einer menschlichen Begegnung in der Einsamkeit des Montjoie. Nur noch selten verirrten sich mutige Pilger auf den Hügel - und wenn sie ihn erklommen, dann nur, um schleunigst weiterzueilen, dem verheißungsvollen Ziele eines heiligen Grabes entgegen. William hatte sein Faktotum im Verdacht, die frommen Reisenden gezielt in Augenblicken solcher Glückseligkeit um ihren Proviant zu erleichtern, denn an Tagen derartigen Besuches gab es oft harten Käse oder geräucherten Speck, Kostbarkeiten, die Odoaker nun mal nicht herzustellen in der Lage war. Auch die Hühner - wenn sie der Fuchs nicht holte - warfen höchst selten die unverzichtbaren Zutaten für einen leckeren Eierfisch ab, und der Holzofen wurde nur sonntags angefeuert, die erhofften handtellergroßen Fladen von grobschrotigem Gerstenbrot blieben meist entweder ungare, klebrige Kleiebatzen, oder sie waren bereits verkohlt, wenn der Bäcker sie aus dem verrußten Loch zerrte. Heute war Sonntag, und im Topf schmurgelte ein Pilzgericht ...
    Aus der Chronik des William von Koebruk
    ... schnell zeigte sich der Pferdefuß, die zugedachte Aufgabe geriet zur Bürde des Gewissens, unvereinbar mit dem Selbstverständnis der jungen >Friedenskönige< Rog und Yeza. Die Mongolen sahen sie als ihren verlängerten Arm, die eiserne Faust der Unterdrückung unter einem verzierten Kinderhandschuh aus weichem Lammleder verdeckt. Als Roc und Yeza die grausame Vernichtung ihrer Freunde miterleben mussten, gipfelnd in der sinnlosen
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