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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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der Bär stieß ein drohendes Brummen aus.
    »Untersteht Euch«, fauchte Arslan den erschrockenen Alten an, »diesen Teppich weltlicher Macht vor den Königen auszubreiten, deren Herrschaft allein die Stärke ihres Geistes bestimmt, kraft des Blutes, das in ihren Adern fließt!«
    Die Beduinen waren eingeschüchtert zurückgewichen. Weniger als Entschuldigung als zur Erklärung seiner Heftigkeit wandte sich der Schamane Roc und Yeza zu, die keine Miene verzogen hatten. »Euer Erscheinen auf der Bühne dieser Welt, meine Könige, sollte nicht länger auf sich warten lassen«, beschwor er sie eindringlich,
    »doch der Pfad, den Ihr betreten müsst, ist schmal und dornig.« Er blickte den beiden in die Gesichter, in das von Yeza, über das jetzt ein wissendes Lächeln huschte, und in das trotzig fragende von Roc. »Hütet Euch vor dem bequemen Weg, der Euren Trieben und Launen entgegenkommt, der leichte Erfüllung Eurer Wünsche

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    verspricht und Euch äußerliche Macht, billigen Ruhm und kleines menschliches Glück vorgaukelt - « Arslan hielt kurz inne, die Wirkung seiner Worte musste er nicht überprüfen, er spürte den Widerstand von Roc und die Skepsis von Yeza auch, ohne ihnen in die Augen zu schauen, dennoch sollte die Warnung nicht
    unausgesprochen bleiben. »Auf diesen Teppich setzt ungestraft keiner seinen Fuß. Hütet Euch vor dem Kelim, so verlockend er sich Euch auch andienen wird.« Der Schamane schien noch eine Steigerung seiner
    Beschwörung auf der Zunge zu haben, eine dunkle Bedrohung, die von der ungeöffneten Rolle ausging, die ihr innewohnte wie ein böser djinn, doch er schloss nun Mund und Augen. So wie er gekommen war, verschwand er auch.
    Keiner der Beduinen konnte sich erinnern, dass er ihn und seinen Bären hatte davonziehen sehen. Arslan hatte sich in Luft aufgelöst. Rog und Yeza erstaunte das nicht. Der abrupte Abgang des Schamanen bewirkte zumindest, dass seine Worte einen Nachhall in ihren Herzen fanden. Seiner magischen Kraft konnten sie sich nicht verschließen. Sie erhoben sich als Könige und wiesen die Beduinen an, ihr Zelt abzubrechen und auf einem der Tragtiere zu verstauen. Mit größter Selbstverständlichkeit machten Roc und Yeza sich die Karawane dienstbar, indem sie solcherart ihren Willen bekundeten, dass sie mit ihr ziehen würden. Sie stellten sich nicht etwa in ihren Schutz, sondern übernahmen stillschweigend die Beduinen als ein vom Schicksal gesandtes, ihnen anvertrautes Gefolge. Der Erste, der das begriff, war der Älteste. Er bat Roc um die Erlaubnis, die Tiere aus dem Brunnen tränken zu dürfen. Danach trat die Karawane den Weitermarsch an.
    WIE EIN MONOLITH stand ein einzelner Reiter auf einer Hügelkuppe in der Steinwüste. Unverkennbar ein Ritter des Westens. Das Visier seines mächtigen Helms war hochgeklappt, sein Blick schweifte über den Horizont des nordsyrischen Berglands. Er wartete. Seine Rüstung war ohne jeden Zierrat, sein Schild führte kein Wappen, auffallend war einzig das riesige Schwert im Seitengehänge seines Sattels.

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    Die Augen des Einsamen verengten sich. Über den zerklüfteten Konturen der ihm gegenüberliegenden Felswände blinkte vereinzelt kaum wahrnehmbares Glitzern auf. Er verharrte unbeweglich. Zu den jetzt deutlich erkennbaren stählernen Speerspitzen gesellten sich die hoch aufragenden fremdartigen Feldzeichen, Vogelschwingen, Schwanzbüsche von Wolf und Pferd, die ersten runden Kampfhauben wurden sichtbar, ihre bronzenen Pickel schoben sich voreinander, nicht länger zu unterscheiden. Endlose Kolonnen: Das Heer der Mongolen! Ein gewaltiges Bild, eine beklemmende, den Atem abschnürende Vorführung von unentrinnbarer, gesichtsloser Gewalt! Keine Kommandorufe ertönten, nur das Geräusch der schnaubenden Pferde war zu vernehmen, je näher sie rückten, das harte Scheuern von Leder, kaum das Klirren der Waffen. Stumm wie mit zusammengebissenen Zähnen schob sich die breite Mammut-Echse mit mächtigem Panzer über Klüfte und Zacken. Ein Lavastrom, der die Landschaft aufriss, unter sich begrub, das Gebirge selbst schien sich in Bewegung gesetzt zu haben. Versetzt gestaffelt die Blöcke von Hundertschaften, die sich mit der Disziplin von Raubameisen voranwälzten, Tausendschaften in ihrer erschreckenden, das wilde Land lähmenden Einförmigkeit, unterlegt vom Knirschen der Räder, Ächzen der hochrädrigen Karren mit den schwarzen Jurten. Das Stampfen der Hufe erzeugte kein Dröhnen, keinen Donner, aber die Erde
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