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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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lebendigem Leibe vorgesehen hatte. Aber auch Kitbogha reagierte unwirsch. »Durch seine Hand kam Rog Trencavel zu Tode!«, protestierte er.
    »Gewiss«, sagte Yeza mit eiserner Ruhe. »Herr Yves ist der.Tod. Damit muss er leben.« Sie zwang Kitbogha in den Blick ihrer graugrünen Sternenaugen, bis der Alte unmerklich beigab und sich von Yves abwandte.
    »Es steht mir nicht an, Euch das Leben zu schenken, sondern ich will nur dafür sorgen, dass es Euch keiner nimmt!« Yeza war zu dem Knieenden getreten, aber sie reichte ihm nicht die Hand. »Steht auf, Herr Yves, Ihr seid ein freier Mann!«
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    Doch der Bretone rührte sich nicht vom Fleck. »Gebt mir die Freiheit«, erwiderte er mit seiner trockenen Stimme, »hier zu knien, bis ich aus Eurem Munde erfahre, dass Ihr für Euch das Leben erwählt - «
    Yezas Augen verdunkelten sich, sie wollte heftig auffahren, doch dann gewann sie ihre Beherrschung zurück.
    »Kniet, so lange Ihr wollt!«, sagte sie leichthin. »Niemand soll mich fürderhin unter Zwang oder Druck setzen, auch Ihr nicht.« Sie trat kühl lächelnd vor Kitbogha. »Ich habe beschlossen, meinem Leben ein Ende zu setzen.«
    Dieser klare Satz ließ alle im Zelt erschrocken zusammenfahren. Mit versteinertem Gesicht erteilte der alte Feldherr den Wachen Befehl, das Zelt von allen Besuchern zu räumen, dem musste sich auch Sundchak beugen und sämtliche Unterführer. Mich wollten sie gleichermaßen entfernen, aber obgleich keiner für mich ein Wort eingelegt hatte, ließen sie von mir ab, vielleicht weil ich ihnen mein Holzkreuz fest umklammert entgegenstreckte.
    Auf einer Bahre wurde der Trencavel hereingetragen. Sie hatten ihn bis zum Kinn mit schwarzem Tuch bedeckt, sodass die Wunde und das Blut nicht zu sehen waren, nur das wachsbleiche Antlitz meines Helden. Der Leichnam wurde inmitten des Raumes aufgebockt, grad' vor dem immer noch knienden Yves. Ich trat hinzu und faltete die Hände.
    Requiem aeternam dona eis Domine: et lux perpetua luceat eis.
    Yeza runzelte die Stirn, was mich aber nicht vom Totengebet abhielt.
    Je decet hymnus Deus in Sion,
    et tibi reddetur votum in Jerusalem:
    Auch Yves bewegte seine Lippen, nur sie stand da und starrte verträumt auf das Gesicht des Geliebten.
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    Exaudi orationem meam, ad te omnis caro veniet.
    Ich senkte meine Stimme, um ihre Andacht nicht zu stören.
    Requiem aeternam dona eis Domine:
    Nachdenklich, doch mit einem Ausdruck siegesgewisser Entschlossenheit wandte sich Yeza von der Bahre ab.
    Et lux perpetua luceat eis
    ... flüsterte ich den Abschluss des Gradual. Diesmal kämpfte ich mit den Tränen.
    Wir waren jetzt allein, auch die Wachen hatten sich zurückgezogen. Ich fühlte mich verpflichtet, meiner kleinen Prinzessin den Todeswunsch auszureden, aber ich fand nicht die rechten Worte. »Niemand macht dir den Vorwurf, gibt dir die Schuld!«, stammelte ich unbeholfen. »So musst du auch nicht für das Unglück büßen«, fügte ich an, verzweifelt ob meiner Ohnmacht.
    Yeza schenkte mir einen ihrer Blicke, bei denen ich nie wusste, ob sie mich für nicht ganz bei Tröste hielt oder Mitleid mit mir empfand. Auch der zutiefst erschütterte Kitbogha stieß in das gleiche Hörn. »Ein Schritt wie dieser«, hielt er ihr in aller Güte vor, »macht den Toten nicht wieder lebendig, er verdoppelt den Verlust und vertausendfacht den Schmerz, den wir empfinden - « Der Alte sah Yeza dabei flehentlich an. »Beraubt das Volk der Mongolen nicht auch noch Eurer königlichen Person!«, beschwor er sie. »Erspart uns dieses unnötige, grausame Opfer!«
    Yeza trat hinter den aufgebahrten Roc, wobei sie mich, der ich schon wieder still betete, sanft zur Seite schob.
    »Schuldig sind wir alle, doch weder belastet das mich, noch bestimmt es mein Handeln. Roc Trencavel und ich, wir sind als erwählte Kinder des Gral aufgewachsen, wurden in frühester Jugend bereits als das Königliche Paar erzogen, und so haben wir in den Jahren, die uns gegeben
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    waren, ein Leben leben dürfen - oder leben müssen -, das sich nun erfüllt hat. Anders als Ihr, Kitbogha, es Euch für Euer Volk erhofft habt, anders als Ihr, Yves, es Euch für die Macht, die hinter Euch steht, erträumt habt.«
    Yeza sprach selbstsicher und langsam genug, dass wir alle ihren Gedanken folgen konnten. »Doch der eingetretene Verlust meines Herrn und Liebsten, meines Mannes und Bruders ist der Abschluss dieses Lebens, dessen Teil ich war, es war ein einmaliges Dasein auf dieser Erde - « Yeza sah in die Runde,
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