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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens
Autoren: Patricia Cornwell
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»Ich sag' ja gar nicht, daß es so nicht gewesen sein kann. Ich glaube es nur nicht.«
    »Das kommt, weil du es nicht glauben willst.« Wütend starrte der Fahrer ihn an.
    »Ich weiß, was ich glaube.« Pleasants zuckte nicht mit der Wimper. »Meine Schaufel hat sie beim Entladen von deinem Laster geholt.«
    »Mann, du weißt aber nicht genau, ob sie von mir stammt«, gab der Fahrer zurück.
    »Nein, absolut sicher bin ich mir nicht. Aber es ist doch logisch.«
    »Für dich vielleicht.« Das Gesicht des Fahrers verzerrte sich drohend.
    »Ich glaube, das reicht, Jungs«, mahnte Grigg und trat wieder näher an sie heran, damit seine Präsenz sie daran erinnerte, daß er ein kräftiger Mann war und eine Waffe trug.
    »Da haben Sie recht«, sagte der Fahrer. »Ich hab' die Nase voll von diesem Mist. Wann kann ich hier weg? Ich bin schon spät dran.«
    »So eine Sache bringt für alle Beteiligten Unannehmlichkeiten mit sich«, sagte Grigg und sah ihn dabei fest an.
    Der Fahrer verdrehte die Augen, fluchte halblaut, ging steifbeinig davon und zündete sich eine Zigarette an.
    Ich zog das Thermometer aus der Leiche und hielt es hoch.
    Die Temperatur im Leberkern betrug neunundzwanzig Grad, genausoviel wie die Außentemperatur. Ich drehte den Rumpf um und bemerkte eine merkwürdige Ansammlung von mit Flüssigkeit gefüllten Pusteln am unteren Teil des Gesäßes. Bei genauerem Hinsehen fand ich an den Rändern tiefer Schnittwunden im Schulter- und Schenkelbereich Spuren von weiteren Pusteln.
    »Verpacken Sie sie doppelt in Leichensäcke«, ordnete ich an. »Ich muss den Müllbeutel haben, in dem sie gefunden wurde, einschließlich des Stücks, das dort oben an dem Bagger hängt. Und ich brauche den Abfall, der unmittelbar unter ihr und um sie herum liegt. Schicken Sie das alles zu mir.«
    Grigg faltete einen Fünfundsiebzig-Liter-Müllsack auseinander und schüttelte ihn auf. Er zog Handschuhe aus der Tasche, hockte sich hin und fing an, Abfall aufzusammeln.
    Inzwischen öffneten die Sanitäter die Hecktüren des Krankenwagens. Der Fahrer des Mülltransporters lehnte an seiner Kabine, und ich spürte seinen Zorn wie Hitze.
    »Woher stammt Ihr Wagen?« fragte ich ihn.
    »Gucken Sie doch aufs Nummernschild«, entgegnete er patzig.
    »Wo in Virginia?« Ich dachte gar nicht daran, mich von ihm aus der Ruhe bringen zu lassen.
    Pleasants antwortete an seiner Stelle: »Aus der Gegend von Tidewater, Ma'am. Der Laster gehört uns. Die kann man bei uns leasen.«
    Von der Hauptverwaltung der Mülldeponie aus hatte man einen Blick auf den Löschteich. Das Gebäude wirkte in der lauten, staubigen Umgebung seltsam fehl am Platze. Es war pfirsichfarben verputzt, vor den Fenstern hingen Blumenkästen, und der Plattenweg wurde von kunstvoll geschnittenen Büschen gesäumt. Die Fensterläden waren cremefarben gestrichen, und die Eingangstür zierte ein Messingklopfer in Form einer Ananas. Drinnen empfing mich eine herrlich saubere, kühle Luft, und ich begriff, warum Investigator Percy Ring seine Verhöre lieber hier führte. Ich hätte wetten können, daß er noch gar nicht am Tatort gewesen war.
    Er saß mit einem älteren Mann in Hemdsärmeln zusammen im Aufenthaltsraum, trank Diet Coke und schaute sich Computerdiagramme an.
    »Das ist Dr. Scarpetta. Entschuldigen Sie«, sagte Pleasants und fügte Ring zugewandt hinzu: »Ich weiß Ihren Vornamen nicht.«
    Ring schenkte mir ein breites Lächeln und zwinkerte mir zu.
    »Die Frau Doktor und ich kennen uns schon recht lange.«
    Er war blond, trug einen adretten blauen Anzug und verströmte eine jugendliche Unschuld, die äußerst überzeugend wirkte. Mich hatte er jedoch nie täuschen können. Er war ein großmäuliger, zur Faulheit neigender Blender, und es war mir nicht entgangen, daß fortwährend Informationen an die Presse durchsickerten, seit er mit diesen Fällen befaßt war.
    »Und dies ist Mr. Kitchen«, sagte Pleasants zu mir. »Der Eigentümer der Deponie.«
    Kitchen trug einfache Jeans und Timberland-Boots. Seine Augen waren grau und traurig, als er mir seine große, rauhe Hand reichte.
    »Bitte setzen Sie sich«, sagte er und zog einen Stuhl hervor.
    »Heute ist ein ganz, ganz schlechter Tag. Besonders für diese Person dort draußen, wer immer das auch sein mag.« »Die hat ihren schlechten Tag ja nun hinter sich«, sagte Ring.
    »Jetzt muss sie nicht mehr leiden.«
    »Sind Sie dort oben gewesen?« fragte ich ihn.
    »Ich bin erst vor einer Stunde hier angekommen. Und das hier ist
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