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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens
Autoren: Patricia Cornwell
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haben, wenn ich wüßte, daß er noch irgendwo am Leben ist?« sagte er voller Leidenschaft.
    »Großer Gott. Wie kannst du nur annehmen, daß ich zu so etwas in der Lage wäre?«
    »Was ist mit dem Mann passiert, mit dem er verabredet war?«
    Ich ließ nicht locker.
    Er zögerte. »Tot, fürchte ich. Sie waren zusammen, als die Bombe hochging.«
    »Was soll dann diese Geheimniskrämerei darum, wer es war?« rief ich aus. »Das macht doch keinen Sinn!«
    Er zögerte wieder, diesmal länger. Für einen Moment erfüllte Mitleid mit mir seine Augen, und es sah aus, als würde er gleich anfangen zu weinen. »Kay, es war kein Mann. Mark war mit einer Frau zusammen.«
    »Einer Agentin.« Ich verstand nicht.
    »Nein.«
    »Was soll das heißen?«
    Es dauerte eine Weile, bis ich begriff. Zuerst wehrte ich mich dagegen, aber als er schwieg, wußte ich Bescheid.
    »Ich wollte nicht, daß du das herausfindest«, sagte er. »Du solltest nicht wissen, daß er mit einer anderen Frau zusammen war, als er starb. Sie kamen gerade aus dem Grosvenor Hotel, als die Bombe hochging. Es hatte nichts mit ihm zu tun. Er war einfach nur dort.«
    »Wer war sie?« Ich war erleichtert, und gleichzeitig war mir speiübel.
    »Ihr Name war Julie McFee. Sie war eine einunddreißigjährige Anwältin aus London. Sie hatten sich durch einen Fall kennengelernt, mit dem er befaßt war. Oder vielleicht durch einen anderen Agenten. Ich weiß es nicht genau.«
    Ich sah ihm in die Augen. »Wie lange wußtest du über sie Bescheid?«
    »Schon eine ganze Weile. Mark wollte es dir sagen, und mir stand es nicht zu, das zu tun.« Er berührte meine Wange und wischte die Tränen fort. »Es tut mir leid. Du hast keine Ahnung, wie ich mich dabei fühle. Als ob du nicht genug gelitten hättest.«
    »Auf gewisse Weise wird es dadurch leichter«, sagte ich.
    Ein Teenager mit Piercings und einem Irokesenschnitt knallte eine Schließfachtür zu. Wir warteten, bis er mit seinem in schwarzes Leder gekleideten Mädchen davonschlenderte.
    »In Wahrheit ist das typisch für meine Beziehung zu ihm.«
    Ich fühlte mich ausgelaugt und konnte kaum noch klar denken, als ich aufstand. »Er mochte sich nicht binden, mochte kein Risiko eingehen. Das hätte er niemals getan, für niemanden. Er hat soviel versäumt, und das macht mich am meisten traurig.«
    Draußen war es feucht, und es wehte ein scharfer Wind. Die Taxischlange um den Bahnhof herum war endlos. Wir gingen Hand in Hand und kauften jeder eine Flasche Hooper's Hooch, denn in England darf man Limonade mit Alkoholgehalt auf der Straße trinken. Polizisten auf gescheckten Pferden trabten am Buckingham Palace vorbei, und im St. James's Park marschierte ein Trupp Gardesoldaten mit Bärenfellmützen auf, den die Touristen sofort eifrig fotografierten. Die Bäume schwankten, und das Getrommel wurde leiser, während wir zurück zum Athenaeum Hotel am Piccadilly gingen.
    »Danke.« Ich legte meinen Arm um ihn. »Ich liebe dich, Benton«, sagte ich.
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