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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht der Tatort, sondern nur der Fundort«, sagte er.
    »Leiche Nummer fünf.« Er wickelte einen Streifen Juicy Fruit aus. »Er macht nicht mehr so lange Pausen, diesmal liegen nur zwei Monate dazwischen.«
    Wie schon so oft wallte Ärger in mir auf. Ring liebte es, vorschnelle Schlüsse zu ziehen und sie mit der Gewißheit eines Menschen zu äußern, der nicht genug weiß, um zu erkennen, daß er falsch liegen könnte. Zum Teil kam das daher, daß er Ergebnisse haben wollte, ohne etwas dafür zu tun.
    »Ich habe den Leichnam bisher weder untersucht noch sein Geschlecht bestimmt«, sagte ich in der Hoffnung, ihm würde wieder einfallen, daß sich noch andere Leute im Raum befanden. »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, Vermutungen anzustellen.«
    »Tja, ich geh' dann«, sagte Pleasants nervös und steuerte auf die Tür zu.
    »Denken Sie dran: In einer Stunde will ich Ihre Aussage aufnehmen«, rief ihm Ring hinterher.
    Kitchen starrte schweigend auf die Diagramme, und dann kam Grigg herein. Er nickte uns zu und nahm sich einen Stuhl.
    »Die Feststellung, daß es sich hier um einen Mord handelt, halte ich nicht bloß für eine Vermutung«, sagte Ring zu mir.
    »Das kann man so sagen.« Ich hielt seinem Blick stand.
    »Und daß alles genauso ist wie bei den anderen Fällen.«
    »Das kann man so nicht sagen. Ich habe die Leiche noch nicht untersucht«, entgegnete ich.
    Kitchen rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. »Möchte jemand ein Mineralwasser? Kaffee vielleicht?« fragte er. »Die Toiletten sind übrigens auf dem Gang.«
    »Die gleiche Geschichte«, sagte Ring zu mir, als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen. »Wieder ein Rumpf und wieder auf einer Mülldeponie.«
    Grigg beobachtete uns mit ausdruckslosem Gesicht und trommelte unruhig auf sein Notizbuch. Er knipste an seinem Kugelschreiber herum und sagte zu Ring: »Ich bin der gleichen Meinung wie Dr. Scarpetta. Wir sollten besser noch keine Verbindung zwischen diesem und irgendwelchen anderen Fällen herstellen. Vor allem nicht vor der Öffentlichkeit.«
    »Ach du lieber Gott. Auf diese Art von Publicity kann ich gut verzichten«, schnaufte Kitchen. »Wissen Sie, wenn man in dieser Branche arbeitet, ist einem schon klar, daß so etwas passieren kann, besonders, wenn der Müll aus Orten wie New York, New Jersey oder Chicago stammt. Aber man glaubt doch nie, daß tatsächlich einmal auf der eigenen Deponie eine Leiche gefunden wird.« Er sah Grigg an. »Ich würde gern eine Belohnung aussetzen, damit derjenige, der diese schreckliche Tat begangen hat, möglichst schnell gefaßt wird. Zehntausend Dollar für den Hinweis, der zu seiner Verhaftung führt.«
    »Das ist sehr großzügig«, sagte Grigg beeindruckt.
    »Gilt das auch für Ermittlungsbeamte?« grinste Ring.
    »Es ist mir egal, wer den Fall löst.« Mit unbewegtem Gesicht wandte sich Kitchen mir zu. »Jetzt sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann, Ma'am.«
    »Soweit ich verstanden habe, benutzen Sie ein Satellitenortungssystem«, sagte ich. »Stammen daher diese Diagramme?«
    »Ich war gerade dabei, sie zu erläutern«, erwiderte Kitchen.
    Er schob ein paar zu mir herüber. Die Wellenlinienmuster darauf sahen aus wie Gesteinsquerschnitte und waren mit Koordinaten versehen.
    »Das ist die Müllhalde aus der Vogelperspektive«, erklärte Kitchen. »Wir können stündlich, täglich, wöchentlich, wann immer wir wollen, ein Aufnahme davon machen, wenn wir rauskriegen wollen, woher Müll stammt und wo er abgeladen wurde. Mittels dieser Koordinaten lassen sich einzelne Punkte auf der Karte genau bestimmen.« Er tippte auf das Papier.
    »Das ist so ähnlich wie das Zeichnen einer Kurve in Geometrie oder Algebra.« Er blickte zu mir hoch und fügte hinzu:
    »Ich nehme an, damit hat man Sie in der Schule auch irgendwann gequält.«
    »Gequält ist das treffende Wort.« Ich lächelte ihn an. »Das heißt also, wenn Sie diese Bilder vergleichen, können Sie sehen, wie sich die Oberfläche der Halde von Ladung zu Ladung verändert.«
    Er nickte. »Ja, Ma'am. Kurz gesagt heißt es das.«
    »Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«
    Er legte acht Karten nebeneinander. Auf jeder sahen die Wellenlinien anders aus, wie unterschiedliche Falten im Gesicht ein und desselben Menschen.
    »Jede Linie steht für eine bestimmte Höhe«, sagte er.
    »Wir können ziemlich genau sagen, welcher Lkw welche Höhenveränderung verursacht hat.«
    Ring leerte seine Cola-Dose und warf sie in den Müll. Er blätterte in
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