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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan
Autoren: Jaques Buval
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einem Fernsehteam gab es in den letzten Monaten niemanden, der sich für die Wohnung interessiert hätte. Und die wollten ja nicht einziehen
    …« Dabei lacht sie lauthals, als würde dieses Lachen das Grauen vertreiben, das sich neben ihr abgespielt hat.
    Hat sie selbst nie etwas Verdächtiges bemerkt? Hat sie nie etwas gehört? Ist es möglich, dass sich alle Bewohner dieses Hauses die Ohren zugehalten haben?
    Die Nachbarin ist über diese Frage verärgert und holt sich schnell eine weitere Hausbewohnerin zur Seite, sagt dann aber hastig: »Ja, es hat gestunken aus der Wohnung, der Geruch breitete sich im ganzen Treppenhaus aus. Wir fragten uns immer, was die da in der Wohnung wohl machen und wieso es hier so stinkt. Aber wir konnten uns absolut nicht vorstellen, dass sie hier ein Massaker veranstalten und Kinder abschlachten. Das … das kann sich doch kein Mensch so einfach vorstellen.«
    Die Mitbewohnerin fügt hinzu: »Wir haben oft Lärm gehört, Gepolter und das ewige Hundegebell. Sascha hat seine Mutter und seine Schwester häufig geschlagen, deshalb haben wir uns nie etwas dabei gedacht. Wir haben gedacht, der verprügelt sie mal wieder, er reagiert sich mal wieder an seinen Verwandten ab.«
    Kann man ihnen das so einfach glauben? Sascha hat in seinen Verhören schließlich immer wieder gesagt, er hätte zuweilen Angst davor gehabt, dass die Nachbarn etwas hören könnten.
    »Lassen Sie mir meine Ruhe! Sie sind Ausländer und können gar nicht wissen, wie es hier zugeht. Vor Jahren haben wir schon die Polizei verständigt und sie darüber unterrichtet, dass etwas in dieser Wohnung nicht stimmt, aber wir haben nie eine Antwort erhalten – und getan wurde auch nichts! Was also, frage ich Sie, was also hätten wir tun sollen, wenn sich nicht einmal die Polizei zuständig fühlt?« Trotzdem: Das Massaker, das Sascha in dieser Wohnung veranstaltet hat, muss die Nachbarn in einer Weise alarmiert haben, die über die von den beiden Frauen als »normal« beschriebenen Gewalttätigkeiten gegen Mutter und Schwester weit hinausging…
    »Sehen Sie, daran haben wir auch gedacht. Mein Mann sagte immer, gib Ruhe, vielleicht treiben’s die alle zusammen.
    Früher habe ich darüber gelacht, aber heute, wo ich alles weiß, kann ich natürlich nicht mehr lachen. Man muss ja froh sein, dass einem selbst nichts geschehen ist.« Bestand tatsächlich Gefahr für die Mitbewohner des Hauses? Sascha Spesiwtsew lacht zunächst und sagt dann: »Die beiden Nachbarinnen brauchten bestimmt keine Angst vor mir zu haben. Diese fetten alten Weiber. Das hätten sie vielleicht einmal gerne gehabt, mit einem jungen Mann wie mir. Ihre alten Säcke können wohl nicht mehr.« Heute hat Spesiwtsew ohnehin andere Sorgen – er will seinen Kopf an die Wissenschaft verkaufen.
    »Können Sie das nicht organisieren? Im Gefängnis brauche ich Geld für Zigaretten. Vielleicht finden Sie ein Institut, das am Kauf meines Gehirns interessiert ist. Das brauche ich doch nicht mehr, wenn ich tot bin. Ich brauche Geld für Zigaretten.
    Was mit meinem Kopf geschieht, ist mir egal.« – Sascha, der Händler: So, wie er seine Opfer als seelenlose Ware angesehen hat, betrachtet er sich jetzt im Gefängnis selbst.
    Er ist ein geschickter Käufer und Verkäufer. In der Wohnung lagerte Baumaterial, das auf lukrative Geschäfte schließen ließ.
    Und beide Frauen – sowohl Ludmilla als auch Nadeschda –
    hatten Arbeit. Es mangelte offensichtlich nie an Geld. Noch heute liegen in der Wohnung Damenschuhe, die durchaus westlichem Standard entsprechen. Lebensmittel haben sich seine Mutter und er stets kaufen können.

    Nur wenig erfährt man über Saschas Schwester Nadeschda, die heute siebenunddreißig Jahre alt ist. Die Nachbarinnen des Horrorhauses bestätigen, dass sie sich sehr oft in der Wohnung aufgehalten habe. Doch diese Zeugen wurden nicht vor Gericht geladen. Auch Nadeschda nicht. Sie ist in Freiheit. Sie ist immer noch Angestellte bei Gericht. Ihre Adresse wird geheim gehalten, und bei Nachfragen erhält man deutliche Hinweise: Fragen zu dieser Frau sind unerwünscht. So muss man es als gegeben ansehen, was das Gericht in Nowokusnezk und die psychologischen Gutachten aussagen: dass sie straf- und verhandlungsunfähig und zur fraglichen Zeit psychisch nicht zurechnungsfähig war.

    Durch die Notizen, die sich Sascha gemacht hatte, konnten schließlich einige Opfer identifiziert werden. Auch die Ohrringe, die die Mädchen trugen, sowie deren
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