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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan
Autoren: Jaques Buval
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man solchen Besuch hat. Nun denn –

    in den nächsten Tagen war ich etwas nervös, deshalb holte ich mir lieber kein Mädchen mehr. Und die, die ich bei mir hatte, die taugte ja nicht mehr viel. Sie aß nichts. Es war einfach nichts reinzukriegen in sie, also stopfte ich ihr am nächsten Abend das gebratene Fleisch ihrer Freundin einfach in den Hals. Man muss doch essen! Ich sagte ihr das immer wieder, doch sie wollte nicht, und fast wäre sie daran erstickt. Doch ich hab’s schließlich geschafft, aber erst, nachdem ich mit Schlimmerem gedroht hatte.«
    »Was geschah dann bis zu dem Tag, an dem wir die Wohnung aufgebrochen haben?«
    »Das war ja schon zwei Tage später. Ich sagte der Kleinen am nächsten Tag noch, dass sie morgen drankommen werde, dass ich sie da, also … verarbeiten würde. Aber die hat das gar nicht mehr mitgekriegt, die war irgendwie ganz still und hatte starre Augen. Nicht mal mehr mein Hund wollte sie beißen.
    Blödes Ding. Als wären die Batterien leer gewesen. Am nächsten Tag dann wollte ich sie mir gerade auf dem Sofa zurechtlegen, als sie mich mit ihren Füßen ganz grob in den Magen stieß. Ich wurde natürlich wütend – das mir, der ich sie ernährt hatte! – und verdrosch sie ganz hart, bis sie schniefend und blutend am Boden lag. Ich packte sie, zog sie zurück aufs Sofa und stach mehrmals mit meinem Messer auf sie ein. Und dann hörte ich den Tumult an der Tür und sah, dass mit unserer Heizung etwas nicht in Ordnung war. Sie kennen das… man wird unruhig und versucht noch, die Wohnung irgendwie zu säubern, weiß aber nicht, wo man anfangen soll. Überall lagen sie verstreut, selbst in ihrem Tod noch machten sie der Welt Schwierigkeiten. Also bin ich abgehauen und…« – Spesiwtsew zögert, als er bemerkt, dass plötzlich Leben in den Staatsanwalt zurückgekehrt ist.
    Mit einem schnellen Ruck steht dieser auf: »Abführen!«
    Die Wachmänner greifen nach Spesiwtsew, der noch seine Zigarette zu Ende rauchen will, nehmen ihm diese aus der Hand und zerren ihn aus dem Zimmer. Langsam, ganz langsam geht der Staatsanwalt ebenfalls hinaus. Die Techniker bauen die Apparate ab und verschwinden.

Saschas Mutter im Lager
    Ein älterer Herr, Mitte sechzig, die Brille fast auf der Nasenspitze sitzend, verlässt das Gelände der Strafanstalt von Nowokusnezk. Kopfschüttelnd geht er durch das riesige Eisentor des Lagers. Nennen wir ihn Jurij, er möchte nicht mit dem Fall in Verbindung gebracht werden, dabei ist er einer der angesehensten Psychiater, die das Land zu bieten hat. Man merkt ihm an, welch seelischer Druck auf ihm lastet.
    Vermutlich war es sein letzter Besuch in diesem Lager, bei einer Gefangenen, die des Kannibalismus angeklagt ist.
    Langsam, fast behäbig geht er mit seinem westeuropäischen Begleiter den Berg zur Hauptstraße hinauf. Man merkt ihm die Anspannung des Tages an.
    »Verzeihung, was haben Sie heute von der Mutter Saschas erfahren?«, versucht man das Gespräch in Gang zu bringen.
    »Na, was wohl, wenn Sie immer nur ständig wiederholt, sie wolle nicht sterben?«
    »Sonst erzählt Sie Ihnen nichts?«
    »Nein, gar nichts, Sie will nur wissen, ob sich die Staatsanwaltschaft an ihr Versprechen hält, für Sie nicht die Todesstrafe zu beantragen.«
    »Darf ich Ihnen eine ganz private Frage stellen?«
    »Ja, natürlich, welche denn?«
    »Wie verkraften Sie selbst seelisch die Anforderungen all dieser Sitzungen, noch dazu, wo Sie doch auch eine Tochter haben?«
    »Das fragen ausgerechnet Sie mich, der tausende Kilometer Flug hinter sich bringt, um über diese Menschen zu berichten, die es nicht wert sind, in nur einer Zeile der internationalen Presse überhaupt erwähnt zu werden. Ich muss meine Arbeit tun, Sie tun es aus Neugier an Menschen, die sich an Grausamkeiten ergötzen. Sie befriedigen sich mit ihren Lesern an menschlichen Abartigkeiten und vergessen dabei, dass all diese Gräuel jedem von uns schon morgen widerfahren können.«
    »Dem muss wohl widersprochen werden. Sie versuchen mit Ihrer Arbeit für das Gericht Licht ins Dunkel zu bringen; gestatten Sie uns doch, dasselbe zu tun und der Öffentlichkeit darüber zu berichten.«
    »Na gut, Sie haben ja Recht, nur verstehen Sie bitte auch, dass solche Fälle nicht spurlos an einem vorübergehen und man deshalb vielleicht etwas lauter wird.« Ohne eine Antwort abzuwarten, fährt er fort: »Diese Monster zu verstehen heißt in Ihren Geist einzudringen, die Kruste der Gefühllosigkeit zu durchbrechen. Das ist
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