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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman
Autoren: Richard Laymon
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uns diese Erfahrungen lehren könnten. Ich zum Beispiel zog daraus den logischen Schluss, nie mehr an einer Ampel oder einem Stoppschild anzuhalten, sondern unbekümmert die Kreuzung zu überqueren, da man ansonsten zwangsläufig mit einem Auffahrunfall rechnen musste. Im Endeffekt
änderten wir jedoch aufgrund dieser Vorfälle nur eine Sache in unserem Leben: Weil wir es uns mittlerweile leisten konnten, nahmen wir nie wieder einen Kredit für einen neuen Wagen auf, sondern bezahlten jedes Auto, das wir anschafften, bar. Zugegeben – jedes Mal, wenn wir ein neues Fahrzeug kauften, wähnten wir uns bis Mitternacht in Gefahr, doch nachdem wir es bis zur Geisterstunde geschafft hatten, war die Anspannung vorüber!
    Eines Abends einige Jahre nach dem zweiten Unfall gingen Gerda und ich mit Dick und Ann Laymon zum Essen aus. Wir holten sie mit unserer Blechkiste zu Hause ab und zischten durch die glamouröse Nacht von Los Angeles, die nur so glitzerte vor Filmstars, Autodieben, Filmmogulen und kranken Stricherinnen, Popstars und vor sich hin plappernden, urinbesudelten Pennern (von denen zweifellos einige einmal Popstars waren ). Wir hatten in einem Sechzehn-Sterne-Restaurant reserviert, vor dem sich selbst die reichsten Industrietitanen wie Hooligans um einen plötzlich frei werdenden Tisch balgten. Wir waren bestens gelaunt in Erwartung vorzüglichen Essens, edler Weine und der Gelegenheit, Dutzende lustige Anekdoten über Themen wie das Verlagswesen und Zahnarztbesuche auszutauschen. Wir dachten, dass nichts diesen spektakulären Abend verderben könnte – und dann verpasste ich die Autobahnausfahrt.
    Eine meiner hervorstechenden Eigenschaften als Fahrer ist es, Ausfahrten zu verpassen, aber nur, wenn ich besonders interessante und redselige Leute chauffiere. Dick und Ann waren bei diesem Anlass so interessant und redselig, dass Gerda schon Valiumspritzen aufzog, um sie zu beruhigen, und ich nehme an, der aufgerollte
Socken in ihrer linken Hand war für meinen Mund bestimmt. Jedenfalls beglückte ich Dick und Ann gerade mit der Geschichte unserer beiden beinahe identischen Unfälle, als ich an der Ausfahrt vorbeiraste, und dann an einer weiteren , ehe einem von uns etwas auffiel. Wir kamen überein, dass wir durch einen Autobahnwechsel schließlich schon zurück zur richtigen Ausfahrt finden würden, also wechselte und wechselte ich … und auf Wegen, die uns allen unerklärlich waren, gerieten wir auf etwas, das aussah wie der gesperrte Abschnitt einer unfertigen Autobahn – und kurz darauf auf eine Landstraße in einer so trostlosen und bedrohlichen Gegend, dass sogar die kampferprobten Pitbulls halbautomatische Waffen trugen und die Köpfe gesenkt hielten.
    Wir waren vertraut mit dem Wirrwarr von Straßen und Autobahnen, die den nahezu unendlichen Gordischen Knoten bildeten, der die Gliedmaßen und Gedärme dieser riesigen Stadt verband, aber wussten dennoch nicht, wo wir waren und wie wir wieder herausfinden sollten aus dem, was drauf und dran war, sich zu einem Strudel des Grauens zu entwickeln. Gerda hatte die verblüffende und unkonventionelle Idee, eine Karte zurate zu ziehen, als ob das etwas helfen würde. Dick und ich hingegen plädierten für eine nüchterne und vernünftige Herangehensweise: wahllos durch die immer schäbigeren Straßen zu kreuzen, in der Hoffnung, über ein Autobahnschild zu stolpern und einen schnellen Ausweg zu finden, ehe wir alle erschossen, erstochen, erdrosselt, zerstückelt, verbrannt und auf einem teuflischen Altar der schlimmsten aller Bestien geopfert würden. Natürlich sahen wir, da wir beide als Schriftsteller mit einem großzügigen Maß an Fantasie gesegnet waren, hinter jeder
Kurve Gefahren lauern, die wir uns aufgeregt gegenseitig schilderten, und malten uns lebhaft eine nahezu endlose Reihe von grausamen Schicksalen aus, die uns sehr wahrscheinlich bevorstünden, ehe wir einen Fluchtweg fanden. Ann entschloss sich aus Gründen, die mein Begriffsvermögen übersteigen, sich vom Rücksitz nach vorn zu beugen und gemeinsam mit Gerda die dämliche Karte zu konsultieren. Jedenfalls folgten wir ein paarmal Gerdas Vorschlägen, die vermutlich auf ihrer außergewöhnlichen weiblichen Intuition beruhten, fanden die Autobahn und erreichten das Restaurant ein wenig verspätet, aber mit heilen Knochen.
    Nach einem köstlichen Essen mit einem hervorragenden Cabernet, nach Desserts, die mit noch größerer Wahrscheinlichkeit als jeder Auftritt von Barney dem Dinosaurier ein
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