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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman
Autoren: Richard Laymon
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Arm ein. Ihr Blick senkte sich sofort auf den Betonboden, wo Beckerman tot aufgefunden worden war. Im Licht der neuen Glühbirne an der Decke stellte sie fest, dass jemand saubergemacht
hatte. Nur ein dunkler Fleck war noch auf dem Beton – und würde wahrscheinlich für immer dortbleiben.
    Susan stieg hinter Tag die Treppe hinauf. Sie erreichten den ersten Absatz, wo Gonzalez gestorben war. Auf der grün gestrichenen Wand befanden sich keine Spuren seines Blutes mehr, aber der poröse Beton zu ihren Füßen hatte sich rostbraun verfärbt.
    Sie wandte sich um und folgte Tag weiter hinauf. Mit dem Beil in der Hand und dem halb aus der Hose hängenden Hemd hätte er ein Irrer in einem Horrorfilm sein können. Sein Schatten wurde zu seinem bedrohlichen Doppelgänger.
    Jack Nicholson in Shining , dachte sie.
    Komm her, damit ich dich bestrafen kann, Susan.
    Ich zertrümmere deinen Schädel, Kleine.
    Und spiele mit deinen Eingeweiden …
    Meine verfluchte Fantasie geht mit mir durch.
    In jedem Schatten schien ein Dämon zu lauern.
    Sie konnte ihren Freund nicht mehr anblicken, ohne einen blutrünstigen Irren mit dem Beil seines Großvaters zu sehen.
    Warum sagt Tag nichts?
    Was ist in ihn gefahren?
    Der Geist eines toten Mörders. Redrum, Susan, Redrum …
    Sie drückte Geoffrey enger an ihre Brust und war bereit, die Beilhiebe mit ihrem Rücken abzufangen, um den verletzlichen Kopf ihres Sohnes zu schützen.
    Nein.
    Nur ihre dumme Einbildungskraft.
    Tag ist wahrscheinlich auch nervös.
    Sonst ist er nicht so still.

    »Tag?«
    »Was?«
    »Alles okay?«
    »Ich hoffe nur, dass das verfluchte Ding nicht über uns herfällt.«
    »Netter Gedanke.«
    »So ist es nun mal.«
    »Hau sie einfach mit der Axt in Stücke.«
    »Klar.«
    »Ich glaub nicht, dass sie hier drin ist. Sie hat keinen Schlüssel.«
    »Wenn eine viertausend Jahre alte Mumie durch die Gegend läuft und Leute beißt, braucht sie vielleicht keine Schlüssel.«
    »Meinst du, sie kann durch Wände gehen?«
    »Warum nicht?«
    »Ja.«
    »Ich wünschte, wir hätten Geoffrey nicht mitgenommen«, sagte Tag.
    »Und ich wünschte, du würdest so was nicht sagen.«
    »Wenn …«
    »Was?«
    »Wenn wirklich was passiert, nimm ihn und renn los. Dreh dich nicht um. Warte nicht ab, wie es ausgeht. Okay?«
    Sie drückte das Baby an sich. Allein bei diesen Worten bekam sie eine Gänsehaut. »Okay.«
    Tag erreichte die Tür im ersten Stock und öffnete sie.
    Warf einen Blick hinein.
    »Scheint alles in Ordnung zu sein.«
    Susan war froh, dass Treppenhaus hinter sich zu lassen. Sie hatte dort das Gefühl, von den Wänden erdrückt
zu werden. Ihr Herzschlag war so laut, dass sie befürchtete, Geoffrey, der mit dem Ohr an ihrer Brust lag, würde davon aufwachen.
    Sie eilte den Gang entlang und blieb dicht an Tags Seite. Vor dem Büro zeigte sie Tag den richtigen Schlüssel. Er steckte ihn ins Schloss und öffnete die Tür. Dann schaltete er das Licht an, und sie traten ein.
    Tag hielt das Baby, indem er den Kopf des Kleinen mit der Armbeuge stützte, während Susan in den Aktenschränken suchte. Sie ging die Ordner durch, fand einen, auf dem Amaras Name stand, und zog ihn heraus. Sie blätterte ihn durch. Die Fotos der Mumie befanden sich darin. »Gut. Los, wir gehen.«
    Susan nahm das schlafende Baby zurück. Sie schalteten das Licht aus und verließen das Büro.
    »Warte einen Moment hier«, sagte Tag. »Ich will nochmal einen Blick in den Sarg werfen.«
    »Wozu?«
    »Um nachzusehen, ob sie da ist.«
    »Oh, Tag.«
    »Vielleicht ist das Vöglein zurück ins Nest geflogen.«
    »Die Museumstür war abgeschlossen. Sie kann nicht …«
    »Susan, einen kurzen Blick ist es doch wert.«
    »Dann komme ich mit.«
    Sie gingen weiter den Gang entlang. Tag leuchtete mit der Taschenlampe in den Callahan-Raum. »Warte hier«, sagte er und kletterte über die Absperrkordel.
    Sie sah zu, wie er durch den Raum ging, den Lichtstrahl durch die Ecken gleiten ließ, die Gesichter der Statuen anleuchtete – Tiere, Menschen, Götter … Dämonen – und schließlich die Lampe auf den offenen Sarg richtete.

    Plötzlich lief Susan ein Schauder über den Rücken, und sie wirbelte herum. Sie starrte in den dunklen Flur, konnte aber nichts Ungewöhnliches sehen.
    Nichts als Schatten, düstere Gänge und Mondlicht, das auf den Fensterscheiben glitzerte.
    In der Ferne hörte sie kaum wahrnehmbar einen Hund heulen.
    Susan trat ans Geländer und blickte in das Foyer hinab. Dort unten gab es einige Gestalten,
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