Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
Erde.

62
    Virginia kehrte in den Keller zurück, in dem sie all die Wochen eingesperrt gewesen war. Das Licht brannte hell. Die Käfige waren nun leer. Sie blieb einen Moment stehen und atmete den Geruch des Ortes ein. Ihre Haut roch mittlerweile genauso. Sie hatte es bemerkt, als sie aus dem Haus gestürmt und in den Canyon gelaufen war, von wo sie versucht hatte, zurück in die Stadt zu finden.
    Aus irgendeinem Grund hatte sie sich auf einem Felsvorsprung sitzend wiedergefunden und lange auf die Lichter der Stadt gestarrt. Dann war sie umgedreht.
    Zurück an den Ort ihrer Qualen.
    Jetzt stand sie in der Leere des Kellerraums. Zwei zerrissene Leichen lagen auf dem Boden. Blutströme gerannen auf dem Beton.
    Ohne darüber nachzudenken, ohne auch nur zu wissen, was sie tat – oder warum sie es tat –, betrat sie den Käfig, der ihr Gefängnis gewesen war.
    Sie setzte sich im Schneidersitz auf die Schaumstoffmatratze. Dann sah sie hinauf zu der Bürste, der Zahnbürste und den Wasserflaschen, die an Kordeln vom Käfigdach hingen. Dies war ein schrecklicher Ort. Aber irgendwie, so dachte sie in ihrer Verwirrung, war es draußen – in Freiheit – ebenso schrecklich. Hier drin gab es strenge Regeln und Ordnung. Draußen in der Stadt, wo
sie so lange nicht gewesen war, fürchtete sie Gesetzlosigkeit und Unordnung.
    Virginia schloss die Augen. Sie blieb so sitzen, bis sie ein schwaches Stöhnen hörte.
     
    Die Frau sah aus, als wäre sie tot. Sie hätte tot sein müssen.
    Ed Lake konnte stolz auf den Widerhaken sein, den er in das Stuhlbein geschnitzt hatte. Es hatte hervorragend funktioniert. Die Harpune war tief eingedrungen. Sie steckte fest im Fleisch. Virginia musste hart arbeiten, um sie aus der Kehle der Frau zu lösen.
    Ein paar Zentimeter nach links oder rechts, und die Spitze hätte entweder die Luftröhre oder die Hauptschlagader getroffen, doch so hatte sie sich nur ins weiche Muskelgewebe gebohrt.
    Es war eine Menge Arbeit, bis die blinde Frau endlich mit verbundener Kehle im Bett lag. Ein wenig Blut war durch den weißen Verband gesickert.
    Virginia sah der Frau beim Schlafen zu. Ihre Atmung war nicht gerade tief, aber immerhin regelmäßig. Die Augenlider waren schwarz, die Lippen blau und die Haut vom Blutverlust weiß wie Porzellan. Aber wenn sie genug Flüssigkeit bekäme, würde sie sich in ein paar Tagen davon erholen. Die Wunde würde heilen.
    Virginia machte einen Rundgang durchs Haus. Sie stellte schnell fest, dass die Frau allein lebte. Diejenige, die Ed und sie »die Wärterin« genannt hatten, war nirgends zu sehen. Vielleicht kam sie nur manchmal vorbei, um zu helfen.
    Aus den Briefen auf einem Schreibtisch erfuhr Virginia den Namen ihrer Entführerin: April Vallsarra.

    Es war wichtig für sie, den Namen zu kennen. Sie spielte damit, wiederholte ihn, während sie wieder die Treppe zum Schlafzimmer hinaufstieg. »April Vallsarra … April Vallsarra …«
    Virginia setzte sich zu ihr aufs Bett.
    April war wunderschön. Ihr Teint war makellos.
    Dann kamen Virginia, von dem Geschehen noch völlig traumatisiert, erschreckende Gedanken.
    Sie hatte, bei all dem Grauen, das sie erleben musste, noch nie eine so existenzielle Beziehung gehabt wie die zu April Vallsarra. Mehr noch, Virginia wurde klar, dass sie sich eine Rückkehr in ihr altes Zuhause und ihre Arbeit nicht mehr vorstellen konnte.
    »Verdammt, sicher werde ich es bis an mein Lebensende bereuen«, sagte sie zu sich selbst, während sie April ansah. Sie beugte sich vor, küsste die schlafende Frau auf die Lippen und flüsterte: »Ich bleibe bei dir.«

63
    »Was halten Sie davon, Mrs. Connors?«
    Susan schüttelte den Kopf und sah Vasquez finster an. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Officer Kraus’ Beschreibung scheint auf die Mumie zu passen. Offenbar gibt es auch einige Hinweise darauf, dass die Mumie in die Todesfälle im Museum verwickelt war.«
    »Glauben Sie ernsthaft … nein, allein die Frage ist schon zu …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »Abwegig. Tatsache ist, dass unser Verdächtiger Ihrem vermissten … Ausstellungsstück ähnelt, falls Kraus nicht völlig den Verstand verloren hat. Haben Sie Fotos von dem Ding?«
    »Im Museum.«
    »Gut. Ich möchte, dass Sie rübergehen und sie holen. Wir legen sie Kraus vor und hören mal, was er dazu sagt. Wenn er den Verdächtigen wiedererkennt, lassen wir die Bilder für meine Leute vervielfältigen.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Wir brauchen hier noch ungefähr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher