Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der sich in Luft auflöste

Der Junge, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Junge, der sich in Luft auflöste
Autoren: Siobhan Dowd
Vom Netzwerk:
Nummer sechs.
    Â»Los, komm, Mum«, sagte Salim. »Wir verpassen sonst noch den Flug.« Er zog sie am Ärmel. Sie winkten ein letztes Mal und Salim schaute über die Schulter zu mir rüber, als der Beamte seinen Pass kontrollierte. Wir blickten uns direkt in die Augen, genau wie bei unserem ersten Treffen. Er zwinkerte mir zu. Ich weiß nicht, ob ich es richtig hingekriegt habe, aber ich knautschte mein eines Auge so fest zusammen, wie ich nur konnte.
    Ihre Maschine startete, als ein großes atlantisches Hoch sich über Lundy und Fastnet breitmachte. Das Wetter blieb für die gesamte Flugdauer schön und es ging ein leichter Wind.
    Als wir nach Haus kamen, verkündete Dad, dass er das Wochenende im Bett verbringen würde. Aber er tat es nicht. Er fing an Eier zu braten und dabei die Melodie von Dick und Doof zu pfeifen, als hätte es den Hurrikan Tante Gloria niemals gegeben. »Ich mache mein Spezialomelett, Faith«, sagte er. »Das, was du damals so mochtest, als wir uns kennengelernt haben.«
    Mum rollte mit den Augen und lächelte gleichzeitig.
    Â»Schmeckt mir das auch?«, fragte Kat.
    Â»Wenn es deiner Mutter schmeckt, schmeckt es dir auch«, sagte Dad. »Ich weiß nämlich Bescheid und Ted auch, stimmt’s, Ted?«
    Â»Hmpf«, sagte ich. »Worüber weiß ich Bescheid?«
    Â»Darüber, dass Mum und Kat sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Deswegen streiten sie auch die ganze Zeit.«
    Mum blickte Kat an.
    Kat zuckte mit den Schultern. »Gleich und Gleich gesellt sich gern«, sagte sie. Beide lächelten.
    Nach dem Omelett, das sehr lecker war, eröffnete uns Mum, dass Tante Gloria und Rashid uns für das, was wir getan hatten, ein Geschenk machen wollten. Kat gestand, dass wir ihr die fünfzig Pfund seit dem Riesenrad-Tag nicht zurückgegeben hatten. Sie gab Mum den Rest, der nach unseren Ermittlungen noch übrig geblieben war. Mum lachte, als sie hörte, wofür wir es ausgegeben hatten. Und sie bestand darauf, dass das nicht zählte. Wir dürften uns noch etwas anderes wünschen.
    Â»Was denn … Egal was?«
    Â»Etwas Vernünftiges sollte es schon sein.«
    Ich wünschte mir eine Wetteruhr. Das ist eine erstaunliche Erfindung. Sie zeigt die Zeit an, verfügt außerdem aber auch über einen hervorragenden Kompass mit verschiedenen Funktionen. Wenn man auf einen bestimmten Knopf drückt, wird ein Minibarometer draus, das den Luftdruck anzeigt. Die Genauigkeit meiner Vorhersagen hat seither um 31,5 Prozent zugenommen.
    Kat wünschte sich einen Motorroller.
    Mum schrie auf. »Sei nicht albern, Kat! Dafür bist du zu jung.«
    Â»Ooooh, Mum … Du hast doch gesagt …«
    Â»Etwas Vernünftiges, Kat.«
    Â»Okay, okay. Kann ich mir dann bei Hair Flair die Haare schneiden und färben lassen?«
    Hair Flair war der Friseurladen, bei dem sie an ihrem UE-Tag zur Haarberatung gewesen war. Mum seufzte. »Na gut, dann also ein Besuch beim Friseur«, sagte sie.
    Später an diesem Tag kam Kat nach Hause und ihr braunes Haar war in unterschiedliche Längen geschnitten, mit einem langen asymmetrischen Pony, der ihr dauernd über die Augen rutschte, und mit schmutzig hellbraunen Streifen, wie die Spuren, die der Regen hinterlässt, wenn er an einer Fensterscheibe runterläuft. Ich fragte mich, wie sie beim Gehen bloß was sehen konnte. Mum riss den Mund auf, ohne dass ein Ton herauskam. Dad blickte von seiner Zeitung auf, um einen Blick auf Kat zu werfen, und verschwand wieder hinter ihr. Das Zeitungspapier fing an zu zittern.
    Â»Gefällt es euch nicht?« Kats Tonfall ging nach oben.
    Mein Kopf kippte zur Seite. »Kat«, sagte ich.
    Â»Was ist?«
    Ich hätte sagen können, dass sie aussah wie ein gefönter Hirtenhund, aber ich tat es nicht. »Das ist echt ein cooler Haarschnitt, Kat.«
    Sie lächelte mich durch ihre Ponyfransen hindurch an.
    Meine dritte Lüge. Ich notierte sie in meiner neuen silberfarbenen Mappe mit der Aufschrift Meine Lügen. Sie liegt in meiner Schreibtischschublade und wird immer dicker.
    Die Kaserne wurde wie geplant abgerissen. Zuerst wirkte unsere Gegend komisch, als wäre ein riesiger Alien von hier auf einen anderen Planeten gebeamt worden. Dann fiel mir etwas auf. Seit die Kaserne weg ist, hat sich die Aussicht verändert.Wenn man unsere Straße hinunterläuft, sieht man für einen kurzen Moment beim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher