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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg
Autoren: Inka Ehrbar
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einer Idylle, wie man sie so nur von Postkarten kennt.
    Auf einer Weide grasen Pferde mit ihren Fohlen, der Kuckuck, unser täglicher Begleiter, stimmt einen Lobgesang an, in den andere Vögel mit ihrem Gezwitscher einfallen.
    In Melide ist heute Markttag. Auf einer Bank sitzend beobachte ich das geschäftige Treiben und ruhe mich ein wenig aus. Ein älteres, rundliches Ehepaar kommt neugierig auf mich zu und stellt Fragen in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Aber wir verständigen uns mit Händen und Füßen und lachen zusammen.
    Die Menschen hier sind alle vergnügt und erfreuen sich an diesem herrlichen Sonnentag. Auch ich werde von einem rundum guten Gefühl getragen und gehe mit dem mir eigenen Rhythmus weiter. Ich bin einfach da und genieße von kleinen Brücken aus, die sich über Bäche spannen, den Blick in die malerische Landschaft. Um eine Eidechse, die sich in der Maisonne aalt, nicht zu verscheuchen, trete ich besonders leise auf.
    Schon von weitem kündigt sich ein Wald mit erfrischendem Duft an. Die Stämme der Eukalyptusbäume sind hoch und schmal. Bei der leichtesten Luftbewegung rascheln die länglichen, silbergrauen Blätter. Der Geruch der ätherischen Öle dringt tief in meine Lunge ein und ich habe plötzlich das Gefühl freier zu atmen als sonst.
    Der Eukalyptus, der besonders für Australien kennzeichnend ist, wurde hier an vielen Orten gepflanzt. Für die heimische Natur, so lese ich in meinem Reiseführer, bedeutet diese Gattung ein großes Problem, denn das Laub des Eukalyptus ist hart und mit Aromastoffen imprägniert. Die ledrigen Blätter decken Schicht für Schicht den Erdboden zu und ersticken andere Pflanzen. Es soll viele Jahre dauern, bis das Laub verrottet.
    Darüber hinaus brauchen die Bäume viel Wasser, das tief aus der Erde in die Kronen gezogen wird. Die Folge: der Grundwasserspiegel sinkt und die Landschaft wird über kurz oder lang austrocknen.
    Für mich ein Beispiel dafür, dass der Mensch glaubt etwas Gutes zu tun und genau das Gegenteil auslöst. Mit sehr gemischten Gefühlen atme ich diesen erfrischenden Duft ein.
    Bald darauf erreichen wir Ribadiso mit einer idyllisch gelegenen Pilgerherberge, die direkt am Fluss liegt. Tila ist offensichtlich fix und fertig. Sie legt sich sofort ins Gras und streckt alle viere von sich.
    Ich sehe mich in aller Ruhe um; die Postkartenidylle scheint kein Ende zu nehmen. Auf der nahe gelegenen Brücke versucht sich eine ältere Frau im Fischfang. Wieder und wieder wirft sie ihre Angelschnur ins Wasser, aber anscheinend will heute keiner anbeißen.
    Während ein Mann vor seinem Haus die Axt schwingt, mäht ein anderer die Wiese in seinem Garten und singt aus voller Brust.
    Wir müssen weiter, denn schließlich wollen wir heute noch nach Arzúa kommen.
    Ich wecke Tila aus vermutlich süßen Träumen. Während sie hinter mir herschleicht, fordere ich sie voller Mitgefühl auf: „Mach nicht schlapp. Halt bitte durch! Nur noch 45 Kilometer. Dann sind wir am Ziel.“
    Die Herberge in Arzúa liegt am anderen Ende der Stadt. Zunächst ist es dort recht still, denn wir sind die einzigen Gäste.
    Erst spät am Abend treffen etwa 20 Radfahrer ein. Es sind Spanier, die etwas erstaunt schauen, da ich Tila dabei habe. Aber keiner hat etwas dagegen, dass sie ebenfalls in der Herberge übernachtet. So können wir beide beruhigt einschlafen.
     

24. Wandertag: Arzúa – Monte del Gozo – 35 km
     
    Ich bin total geschafft! Ich gehe fast gar nicht mehr jagen. In einem Eukalyptuswald, der uns jetzt Schatten spendet, bin ich allerdings damit beschäftigt ein wenig aufzuräumen, damit Inka unversehrt unser Ziel erreichen kann.
    Also morgen werden wir in Santiago ankommen.
    Am Abend sitzen wir gemeinsam auf einem Berg, dem Monte del Gozo, und uns ist ganz feierlich zumute.
    Inka sagt: „Tila, ich bin sehr froh, dass du mit mir gegangen bist. „
    Na, ist doch selbstverständlich, dass ich sie begleitet habe, schließlich sind wir ja Freunde.
    Richtige Freunde!
    Ja, und dann ist etwas passiert... aber das berichte ich lieber zu einem späteren Zeitpunkt.
     
    Mehr als drei Wochen sind wir nun unterwegs. Das Laufen ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Himmel ist strahlend blau, als wir zu unserer letzten großen Etappe aufbrechen. Wie gewohnt geht es über Feldwege, unser Kuckuck begleitet uns dabei...
    Und doch ist es heute irgendwie anders.
    Hier in Galicien zeigen die Wegmarkierungen auch die Kilometer an, die den Pilger noch von Santiago
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