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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter
Autoren: John Burdett
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Geschütz erwerben könne. Jetzt bestehen die Mauern aus massivem Stahlbeton, der auch dem Aufprall eines Schwertransporters standhält. Falls er tatsächlich nachgeben sollte, befindet sich dahinter ein Graben. Im einundzwanzigsten Jahrhundert arbeitet die amerikanische Botschafterin in einer mittelalterlichen Burg. Wie sieht wohl das Karma Amerikas aus?
    Plötzlich beschließt der Amerikaner in seinem Wachhäuschen, vielleicht ein Marine in Zivil, mich durch das Drehkreuz zu lassen. Farangs sind bekanntermaßen unberechenbar; dieser hier hat gerade eben seinen Argwohn durch Freundlichkeit ersetzt. Durch das Mikro sagt er:
    »Ihr Termin wurde bestätigt. Wollen Sie hier warten? Dieser Raum ist klimatisiert.«
    Irgend etwas piepst, als ich die Schwelle überschreite; ich sehe ein buntes Bild meiner selbst und aller Metallgegenstände in meinen Taschen auf einem Bildschirm. In dem Wachhäuschen erzittere ich in der kalten Luft. Der junge Mann, dessen Haare so kurz geschnitten sind, daß er fast kahl wirkt, starrt einen Augenblick lang den Monitor an und verlangt dann meinen Ausweis, dessen Nummer er in seinen Computer eingibt. Ich sehe, wie mein Name auf dem Bildschirm erscheint. Der Marine brummt: »Sie sind das erste Mal hier.« Das ist keine Frage, sondern die Information, die ihm der Computer gegeben hat. »Nächstes Mal können wir uns das Trara sparen.« Während er das sagt, nickt er in Richtung des Hauptgebäudes, als marschierte besagtes Trara männlichen Schrittes auf uns zu, ein riesiges Namensschild zwischen den kleinen Brüsten hin und her schwingend. Selbst aus dieser Entfernung kann ich lesen, daß der Name von Trara Katherine White und ihre Funktion die der stellvertretenden Sicherheitschefin ist. Sie dürfte um die Dreißig sein, hat brünette Haare, wirkt durchtrainiert und mit ihrer gerunzelten Stirn ziemlich ernst. Im Vergleich zu ihr fühle ich mich trotz meiner strohblonden Haare und meiner spitzen Nase sehr thailändisch.
    »Detective … wie war noch mal der Name? … Jiplecreap für den Rechtsberater des FBI?« Ihre Stimme klingt quäkend über die Gegensprechanlage.
    »Ja.«
    »Ich wußte nicht, daß er bei Ihnen ist. Komme ich rein, oder bringen Sie ihn raus? Das vergesse ich immer.«
    »Ich kann ihn rausbringen. Aber wahrscheinlich schafft er das auch allein.«
    Die Frau nickt ernst. »Okay, dann machen Sie mal.«
    Der Marine hebt die Augenbrauen, ich nicke, der junge Mann öffnet die Tür des Wachhäuschens, und ich trete hinaus.
    »Sie sind Detective Jiteecheap von der Royal Thai Police? Kann ich bitte Ihren Ausweis sehen? Tut mir leid, daß das alles so kompliziert ist, aber ich muß Ihren Besuch schriftlich bestätigen. Danke.« Sie stellt fest, daß ich im Verlauf der letzten fünf Minuten nicht durch einen anderen ersetzt worden bin, und führt mich über den Vorhof auf das Hauptgebäude zu.
    Katherine White hat nicht die geringste Ahnung, daß sie mich schon einmal über einen verblüffend ähnlichen Hof begleitet hat, vor Tausenden von Jahren. Weiter als bis zu meiner ägyptischen Inkarnation habe ich meine Vorgeschichte bisher nicht zurückverfolgen können. Ein Priester, der seine Macht mißbraucht, zahlt den höchsten karmischen Preis. Ich verbrachte dreitausend Jahre gefangen in einem Felsen, bevor ich als der niedrigste Sklave in Byzanz wiederauftauchte. Auch Pichai hat sich an jene fernen Tage erinnert, als die Reise zwischen dem Hier und dem Dort etwas ganz Normales war. Manchmal durchlebten wir diese Momente der Macht zusammen: die Flucht aus unserem Körper, die schwarze Nacht unter unseren Schwingen, das Wunder des Orion.

7
    Jetzt stehe ich im Büro des Rechtsberaters des FBI und seines Stellvertreters Jack Nape, der mich gerade mit einem unglaublich breiten Lächeln bedacht hat. Es bereitet mir Schuldgefühle, weil ich ihm seine Aufrichtigkeit nicht abkaufe. Genau so sollte ein Mann doch sein: positiv, offen, optimistisch, immer ein Lächeln auf den Lippen, das die ganze Welt umfaßt. Für einen Amerikaner ist er durchschnittlich groß. Ich dagegen überrage die meisten anderen Thais, so daß wir uns ziemlich genau auf gleicher Augenhöhe befinden.
    »Das ging aber schnell. Ich habe Sie erst in einer Stunde erwartet.«
    »Bangkok-Helikopter.« Ich sehe mich in dem Büro um. Am Fenster stehen zwei identisch große Schreibtische einander gegenüber, auf jedem ein Computer. Dazu kommen einige Aktenschränke mit einem amerikanischen Football, Bücherregale mit düsteren
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