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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter
Autoren: John Burdett
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besser als bei uns. An der Kreuzung Sukhumvit Road/Soi 4 geht nichts mehr. In der Mitte befindet sich ein Wachhäuschen für die Verkehrspolizisten, deren Aufgabe es ist, sich um das Problem zu kümmern, aber wie sollen zwei unterbezahlte Cops eine Million Autos, so dicht aneinandergepackt wie Mangos zum Export, bewegen? Die Polizisten dösen in ihrem Häuschen vor sich hin, und die Fahrer haben irgendwann aufgehört, auf die Hupe zu drücken. Es ist zu heiß und schwül zum Hupen. Ich entdecke unsere Pistolen und Holster zu Pichais Füßen, daneben das Funkgerät und die Sirene, die wir aufs Dach klemmen können, wenn’s endlich losgeht. Ich stoße Pichai in die Seite.
    »Sag ihm lieber, daß wir ihn verloren haben.«
    Pichai besitzt bereits die mönchische Fähigkeit, auch während des Schlafs zu hören und zu begreifen. Ächzend fährt er sich mit der Hand durch seine irgendwann zur Rasur verdammten rabenschwarzen Locken, um die ich ihn schon so lange beneide, und bückt sich, um das koreanische Kurzwellenfunkgerät aufzuheben. Rauschen, dann die wenig überraschende Auskunft, daß Police Colonel Vikorn, Chef von District 8, im Augenblick nicht aufzufinden ist.
    »Versuch’s übers Handy.«
    Pichai holt sein Mobiltelefon aus der Tasche und wählt die gespeicherte Nummer. Er unterhält sich so höflich mit unserem Colonel, daß sich das in moderner Sprache nicht wiedergeben läßt (am ehesten entspricht seiner Anrede wohl so etwas wie »gnädiger Herr« ), dann lauscht er einen Moment und steckt das Nokia zurück in die Tasche. »Er wird sich mit der Verkehrspolizei in Verbindung setzen. Wenn der schwarze farang irgendwo auftaucht, melden sie sich über Funk.« Ich schalte die Klimaanlage höher, stelle die Rückenlehne des Sitzes nach hinten und versuche zu meditieren, wie ich es vor vielen Jahren als Teenager gelernt und seitdem immer wieder praktiziert habe. Der Trick besteht darin, die Gedanken durchs Gehirn sausen zu lassen, ohne sie zu packen. Jeder Gedanke hakt sich fest, und wenn es uns gelingt, diesen Haken auszuweichen, schaffen wir es vielleicht, in ein oder zwei Leben das Nirwana zu erlangen, statt wieder im endlosen Leiden der Reinkarnation zu landen. Meine Meditation wird durch neuerliches Rauschen aus dem Funkgerät unterbrochen (was ich vor dem Auftauchen wahrnehme, ist Rauschen, Rauschen, Rauschen). Schwarzer farang in grauem Mercedes auf der Ausfahrt unter der Dao Phrya Bridge aufgehalten. Pichai setzt sich mit dem Colonel in Verbindung, der uns erlaubt, die Sirene zu benutzen.
    Ich warte, während Pichai aussteigt und die Sirene aufs Dach klemmt, die nun mit Blaulicht heult, aber keinerlei Wirkung auf den Stau hat. Pichai geht zu dem Wachhäuschen hinüber, in dem die Verkehrspolizisten dösen. Unterwegs schnallt er sein Holster um und holt seinen Polizeiausweis aus der Tasche. Er ist auf dem Pfad schon viel weiter als ich, und so läßt er sich seinen Ekel darüber, in diesem Schmutz mit dem Namen Erde gefangen zu sein, nicht anmerken. Er möchte Denken und Gefühle der anderen nicht vergiften. Doch als er das Wachhäuschen erreicht, schlägt er ziemlich heftig mit der flachen Hand gegen das Glas und brüllt die Cops dahinter an, daß sie verdammt noch mal aufwachen sollen. Lächeln und eine höfliche Diskussion, bevor die Jungs in Eselsbraun (in bestimmtem Licht kann die Uniform auch flaschengrün wirken) herauskommen, um sich um das Problem zu kümmern. Als sie an meinen Wagen herantreten, mustern sie mich genauso verdutzt wie alle, die mich zum erstenmal sehen. Der Vietnamkrieg hat viele Mischlinge in Krung Thep hinterlassen, aber nur wenige von uns wurden Cops.
    Jeder im Stau hat ein paar Zentimeter Manövrierspielraum; unsere Kollegen beweisen beachtliches Geschick, ihn zu nutzen und Platz zu schaffen. Schon bald bin ich in der Lage, den Wagen auf den Gehsteig zu lenken, wo die Sirene die Fußgänger erschreckt. Pichai grinst. Ich habe das Autofahren in jener Zeit gelernt, als wir noch zusammen Drogen nahmen und Autos stahlen, eine goldene Zeit, die jäh endete, als Pichai unseren yaa-baa- Händler ermordete und wir Zuflucht suchen mußten in den Drei Juwelen, dem Buddha, dem Dharma und dem Sangha. Die Sache mit dem yaa baa werde ich später noch erklären.
    Während ich schleudernd und schlingernd Garküchen, Nutten und entgegenkommendem Verkehr ausweiche, versuche ich mich zu erinnern, wofür die Dao Phrya Bridge bekannt ist. Woher kenne ich sie?
    Wir sind sehr glücklich. Sabai
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