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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter
Autoren: John Burdett
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Betontreppe zum Erdgeschoß hinunter. Draußen schmiegt sich ein improvisierter Laden mit einer langen grünen Markise, die fast bis zum Boden reicht, an das Gebäude. Unter der Markise lungern Leute mit zahlreichen Tätowierungen und fast genauso vielen Ohrringen auf Feldbetten, rauchen und trinken Bier, ihre numerierten Jacken auf dem Boden neben sich. Das sind die Fahrer der lizenzierten Motorradtaxis, des gefährlichsten, aber auch schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels in Krung Thep.
    »Amerikanische Botschaft, Wireless Road«, herrsche ich einen von den Typen an und versetze seinem Feldbett einen Tritt. »Und zwar ein bißchen plötzlich.«
    Die Typen sind örtliche yaa-baa- Händler , die auch selbst hin und wieder etwas nehmen. Ich spiele manchmal mit dem Gedanken, sie auffliegen zu lassen, aber wenn ich das tue, übernimmt ein anderer das Geschäft und weitet es möglicherweise aus. Wenn man mit einem Stock in den Schmutz drischt, verteilt man ihn nur. Außerdem kaufen die Leute hier einen großen Teil ihres yaa-baa- Vorratsaus Beständen der Polizei, also hätte eine solche Aktion berufliche Konsequenzen für mich. Meine Kollegen würden sich beklagen, daß sie kein Geld mehr haben, ihren Kindern Brot zu kaufen.
    Der Motorradfahrer, dessen Feldbett ich einen Tritt versetzt habe, springt auf und rennt zu seiner Suzuki 200ccm, die mit ihrem stromlinienförmigen Design, dem tropfenförmigen Tank und den ein wenig nach oben geschwungenen Auspuffrohren früher mal ziemlich sexy gewesen sein muß. Aber in Krung Thep ist Eleganz nicht von Dauer. Jetzt wirkt das Ding mit seinen Beulen, dem Schlamm an den Fußstützen, dem verrosteten Auspuff und dem zerfetzten Sitz schäbig. Der Fahrer bietet mir einen Helm an, doch ich winke ab. Zwar besteht Helmpflicht, aber die läßt sich nicht durchsetzen. Die meisten Leute riskieren lieber eine Kopfverletzung, als sich das Hirn in der Hitze braten zu lassen.
    »Sie haben’s eilig?« fragt der Junge.
    Ich denke über seine Frage nach. Nein, nicht wirklich. Aber ich bin dankbar für jede Ablenkung, denn meine Gedanken drohen außer Rand und Band zu geraten. »Ja, es ist ein Notfall.« Mit leuchtenden Augen startet der Junge die Maschine.
    Mir macht die Fahrt Spaß. Der Fahrer ist auf Drogen – wenn nicht auf yaa baa, dann auf ganja; ein paarmal bin ich sicher, daß ich gleich sterben und mich früher als erwartet zu Pichai gesellen werde. Ein bißchen enttäuscht sehe ich schließlich die weißen Mauern der amerikanischen Botschaft vor mir an der Phloenchit Road auftauchen, überrascht darüber, noch immer im Gefängnis meines Körpers eingeschlossen zu sein.
    Ich gebe dem Jungen seinen Lohn. Er bekommt große Augen, als ich sage: »Besorg mir yaa baa und bring mir’s heute abend.« Als er mit quietschenden Reifen losfährt, leuchten seine Augen wieder. Jetzt stehe ich vor einem Bronzeadler in einem Gipsmedaillon, einem Edelstahldrehkreuz und ein paar schwerbewaffneten Thai-Cops, die an den Wänden lehnen. Ich zeige ihnen meinen Ausweis und sage, daß ich einen Termin beim FBI habe. Sie geben diese Information an den Amerikaner hinter dem kugelsicheren Glas am Drehkreuz weiter, der meinen Namen notiert und einen Anruf tätigt.
    In der Meditation gibt es einen Punkt, an dem die Welt im wahrsten Sinne des Wortes zusammenbricht, so daß der Blick auf die dahinterliegende Realität frei wird. Ich erlebe den Zusammenbruch, aber nicht die Erlösung. Die Stadt fällt immer wieder in sich zusammen und baut sich von neuem auf, während ich in der Hitze warte. Soll das eine Botschaft von Pichai sein? Die Meister der Meditation versuchen, uns auf den Schock vorzubereiten, wenn wir schließlich die Zerbrechlichkeit des großen Draußen erfahren. Angeblich handelt es sich um ein sehr gutes Zeichen, aber für den Ungeübten kündet es vom sicheren Wahn.
     
    Fritz war ein Schwein, das sowohl meine Mutter als auch ich einen Augenblick lang liebten. Die anderen waren bessere Menschen, aber es gelang uns nie, sie zu lieben.

6
    Beim Warten fällt mir ein, daß die diplomatische Niederlassung 1998, kurz nach den Bombenanschlägen auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania, völlig neu gestaltet wurde. Die Botschafterin erklärte im Fernsehen in gar nicht schlechtem Thai, daß Amerika zwar keinerlei Bedrohung in der thailändischen Bevölkerung sehe, jedoch die langen, durchlässigen Grenzen zu Kambodscha und Myanmar fürchte, wo praktisch jeder Sprengstoff und schweres
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