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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter
Autoren: John Burdett
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Ich hab die Homepage gesehen und mir sofort ein Ticket nach Bangkok besorgt, ohne Rückflug. Wenn ich hier sterbe, ist mir das auch recht. Ich bin aus Kansas und war dreimal verheiratet, und das eine kann ich Ihnen sagen: Erst jetzt weiß ich, was meine kostspieligen Frauen mir fünfzig Jahre lang nicht geboten haben.«
    »Was sie Ihnen nicht geboten haben?«
    »Genau. Wenn ich die Zeit dazu hätte, wäre ich wahrscheinlich verbittert, aber die habe ich nicht, weil ich zu beschäftigt bin, die Mädels zu …«
    »Danke, Sir. Und Sie, Sir, sind Sie eigens wegen des Old Man’s Club nach Bangkok gekommen?«
    »Ja, und ich bin zu alt, um mich noch drum zu scheren, was Ihre Zuschauer davon halten. Ich bin einundachtzig, hab drei undankbare Kinder großgezogen, die mich nie besuchen, eine wunderbare, leider krebskranke Frau verloren – Gott hab sie selig –, dann ein Miststück geheiratet, das in der Hölle schmoren soll, und wenn ich nur noch zehn Minuten zu leben hätte, würde ich die im Old Man’s Club verbringen. Ist vielleicht nicht Liebe, aber was Besseres kriege ich in meinem Alter nicht mehr. Und mehr Spaß als Bridge macht’s auf jeden Fall. Können Sie sich vorstellen, wie langweilig Bridge wird, wenn man weiß, daß auf der anderen Seite der Welt etwas viel Aufregenderes wartet?«
    »Es stört Sie nicht, daß viele Amerikaner Ihr Verhalten politisch unkorrekt, ja sogar unmoralisch finden könnten?«
    »Schützt politische Korrektheit vor Alzheimer? Im Alter lernt man, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.«
    Die CNN-Reporterin wendet sich zwei Mädchen zu, Nit-nit und Noi, die Nong auf meine Empfehlung vom Jadepalast abgeworben hat. Dann sagt sie, den Blick auf die Kamera gerichtet: »Nun, die Kunden scheinen sehr zufrieden zu sein, aber was ist mit den hübschen jungen Frauen, die im Old Man’s Club arbeiten, obwohl sie in einem anderen Land vielleicht Filmstars oder Models sein könnten? Hören wir uns an, was sie zu sagen haben.«
    Nit-nit: »Ich wußte nicht, was mich erwarten würde, aber die Kunden sind so dankbar, daß es fast schon traurig ist. Ich habe den Eindruck, daß Sie die alten Leute in Ihrem Land nicht gut behandeln. In Thailand würden wir unsere Eltern und Großeltern nicht Jahr um Jahr allein lassen, denn das wäre ihr sicherer Tod.«
    Noi: »Die meisten sehen die Komik der Situation, genau wie wir Thais, also fällt es uns nicht schwer, mit ihnen zusammenzusein. Sie fordern nicht soviel wie jüngere Männer, machen einem keine Vorschriften. Sie sind schon glücklich, wenn sie einen berühren können. Ein bißchen kommt man sich dabei vor wie eine Krankenschwester. Es gehört zur Thai-Kultur, die Alten zu achten und ihnen zu helfen.«
    Nun gibt die CNN-Reporterin dem Kameramann das Zeichen für die Schlußeinstellung. »Tja, wie es schon in Walt Disneys Susi und Strolch heißt: ›Wir sind Siamesen, ob euch das gefällt oder nicht.‹ Bis jetzt wurde nur wenig Kritik an Madame Nong Jitpleecheeps neuem Club laut, das Lob scheint deutlich zu überwiegen. Erst die Zukunft wird uns verraten, ob das, was wir hier sehen, eine weitere Variante des Themas Ausbeutung ist oder ein Schritt in Richtung Emanzipation. In der Zwischenzeit wird die Dauerparty des Bangkoker Nachtlebens weitergehen, egal, was die Welt davon hält. Sie hörten Celia Emerson von CNN aus Bangkok.«
    Nach und nach verlöschen die Scheinwerfer, und Männer in Shorts rollen schwitzend die Kabel auf, ein wenig wehmütig beobachtet von Nong. Es wird Zeit, einen Blick in den Club zu werfen. Der Colonel und Nong gehen voran, dann kommt Kimberley, die glaubt, daß ich ihr folge. Doch ich bleibe an der Tür stehen, um auf die schwarze Limousine zu warten, die hinter einem der Sendewagen hält.
    Ich trage einen zweireihigen Blazer von Zegna, ein Leinenhemd von Givenchy, eine Hose aus Sommerwolle, Lacklederslipper von Baker-Benje – sie freuen mich am meisten – sowie ein nettes kleines Eau de Cologne von Russell Simmons. Mit Sicherheit wird meine Überraschung, die sich nur mit Mühe aus der Limousine schält, mein Outfit zu schätzen wissen. Sie geht, flankiert von zwei stämmigen Leibwächtern, am Stock. Ihr Gesicht wird immer maskulin wirken, und ihr Kleid fällt meiner Meinung nach schlecht, auch wenn es das beste von Giorgio Armani ist. Allerdings hat das Östradiol Wunder gewirkt bei ihrem Haar, das in schweren Locken auf den Kragen ihres Kleides fällt. Die Leibwächter überlassen sie mir.
    »Hübsche Klamotten«, sagt
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