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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter
Autoren: John Burdett
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Monaten verdient haben, schon vor der offiziellen Eröffnung. Ich mache mich auf den Weg zu den Designer-Labels im Emporium.
     
    An der Soi Cowboy liegen überall Kabel herum; die Polizei hat die Straße für den Verkehr gesperrt. Sendewagen mit den Logos aller wichtigen Medienanstalten der Welt blockieren den Weg, und Blitzlichter erhellen die Nacht, als wir uns mit dem Bentley des Colonel nähern, den üblichen Fahrer am Steuer. Natürlich habe ich schon von diesem Bentley gehört, das haben alle, aber heute sehe ich ihn zum erstenmal mit eigenen Augen. Vikorn hat ihn sich selbst zum sechzigsten Geburtstag geschenkt, einen Wagen der T-Klasse mit allem Drum und Dran. Aus den Stereolautsprechern dröhnt der »Walkürenritt«.
    Der Colonel, Kimberley und ich mischen uns unter die Menge, während meine Mutter ins Licht der Scheinwerfer tritt. Der Colonel trägt einen Leinenzweireiher von Redaelli, eine handbemalte Seidenkrawatte sowie ein Crêpe-Hemd von Armani, Halbschuhe von Ralph Lauren und trotz der Dunkelheit eine Wayfarer-Sonnenbrille. Wäre er kein echter Gangster, würde er lächerlich wirken. So sieht er phantastisch aus. Doch ausnahmsweise bin ich nicht neidisch.
    Ich merke, daß meine Mutter als Exprostituierte moralische Autorität besitzt, die sogar die BBC einzuschüchtern scheint (sie trägt einen schwarzen Seidenhosenanzug von Karl Lagerfeld, schwarze Schuhe mit roten Satinschleifen von Yves Saint Laurent, eine beigefarbene Baumwollbluse von Dolce & Gabbana, ebenfalls mit einer lockeren roten Satinschleife, und vermittelt den Eindruck einer vollkommenen Vereinigung von Yin und Yang im einundzwanzigsten Jahrhundert). CNN hat den mißbilligenden Tonfall aufgegeben und sich für Ambivalenz entschieden, die BBC ist diesem Beispiel gefolgt. Die französischen und italienischen Medien haben sich von Anfang an nur halbherzig entrüstet gegeben und ziehen die Ironie vor. Sogar die moslemischen Sender aus Malaysia und Indonesien halten sich mit moralischen Urteilen zurück; die Japaner demonstrieren unverhohlen Zustimmung, und die Chinesen sind fasziniert.
    »Unsere Welt muß erwachsen werden«, sagt meine Mutter gerade. Ihr Englisch wird von Tag zu Tag besser; sie hat nur noch einen leichten Thai-Akzent, der charmant kindlich klingt und die Aggression in ihrer Stimme mildert. »Die Globalisierung hat zum stärksten Anwachsen der Prostitution in der Geschichte der Menschheit geführt, doch die Medien vernachlässigen diese Entwicklung, weil sie so politisch unkorrekt ist. Zahllose Frauen sind in dem Gewerbe, nicht, weil sie müssen, sondern weil sie sich bewußt dafür entscheiden. Moskauer Studentinnen verdienen sich mit Sex ein Taschengeld in Macau. Chinesinnen aus Singapur fliegen während der Weihnachtsferien nach Hongkong, um ihren Körper zu verkaufen. In Schanghai wimmelt es von Mädchen, die das schnelle Geld machen wollen. Frauen aus ganz Südamerika sind im Sexgewerbe, besonders in Asien und im Westen. In Bangkok sieht man britische, kanadische, amerikanische und skandinavische Frauen im Eskortservice. Warum sagen die Medien der Welt nicht, wie beliebt das Geschäft mit dem Körper selbst bei jungen wohlhabenden Frauen aus den G7-Ländern geworden ist?« Die BBC-Reporterin nickt wissend.
    »Sie ist gut«, flüstert der Colonel mir zu. »Noch besser, als du früher warst.«
    Jetzt hält eine CNN-Reporterin Nong ein großes Mikrofon vor den Mund. Meine Mutter macht beim Senderwechsel kaum eine Pause. »Sie sagen jeder jungen Frau im Land, daß es ihr Recht ist, sich gut anzuziehen, sexy auszusehen, ein Handy und ein Auto zu haben und in exotische Weltgegenden zu reisen, aber in neun von zehn Fällen gibt es nur einen Beruf, der ihr das dafür nötige Geld bringt. Wer also ist der Zuhälter – ich oder der Westen? Ich plädiere für Schadensbegrenzung. Wir müssen die Situation akzeptieren, wie sie ist, und den Mädchen bessere Bedingungen bieten. Wäre mir eine Rückkehr zur traditionellen buddhistischen Thai-Moral lieber? Ja, aber dafür ist es zu spät, wir müssen uns mit der Realität auseinandersetzen. Der Meinung war sogar der Buddha.«
    Die CNN-Reporterin wendet sich von Nong ab und einem drahtigen alten Mann mit einem von Nongs T-Shirts sowie rot-gelb gestreiften Shorts zu. Er dürfte Anfang Siebzig sein, steht ein wenig gebeugt da und sieht genauso aus wie die Karikatur auf dem T-Shirt. »Entschuldigung, Sir, haben Sie während Ihres Thailandaufenthalts den Old Man’s Club besucht?«
    »Klar.
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