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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter
Autoren: John Burdett
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bedeutet »sich gut fühlen« und sanuk »Spaß haben«. Beides trifft auf uns zu, als wir mit mörderischer Geschwindigkeit in Richtung Brücke rasen. Pichai bittet dabei in Pali-Singsang, der uralten Sprache des Gautama Buddha, nicht nur um Schutz vor Unfällen, sondern auch darum, daß wir nicht versehentlich jemanden umbringen, der es nicht verdient – in dieser Hinsicht ist Pichai pingelig.
     
    Krung Thep bedeutet »Stadt der Engel«, aber wir sind auch mit »Bangkok« zufrieden, wenn uns das hilft, einem farang das Geld abzuknöpfen.

3
    Jetzt fällt mir wieder ein, wofür die Dao Phrya Bridge bekannt ist.
    »Squatter – illegale Siedler –, ein ganzes Dorf mit Brennerei. Die sind schon seit mehr als zwanzig Jahren da, alles Karen, ein Stamm aus dem Nordwesten. Glücksspiel und Whisky sind ihre Haupteinnahmequellen; dazu kommen Prostitution, Betteln und Diebereien.«
    »Die zahlen sicher Schutzgelder. In welchem District ist die Brücke?«
    Ich zucke mit den Achseln. »Im vierzehnten oder fünfzehnten, denke ich.«
    »Der fünfzehnte untersteht Suvit, dem Schwein.«
    Ich nicke. »Er wird als Laus im Anus eines Hundes wiedergeboren werden.«
    »Aber erst nach zweiundachtzigtausend Jahren als hungriger Geist.«
    »Zweiundachtzigtausend?«
    »Ja, das ist die übliche Strafe für Leute wie ihn.«
    Ich runzle die Stirn. In puncto Meditation ist Pichai mir weit überlegen, aber seine Kenntnis der buddhistischen Schriften läßt zu wünschen übrig.
    Der graue Mercedes ist von der Brücke aus zu sehen, was mich überrascht. Seit die Verkehrspolizei uns gemeldet hat, wo der Wagen – vermutlich von einem Squatter – entdeckt wurde, sind mehr als zwei Stunden vergangen. Warum würde ein Squatter die Polizei informieren?
    Wie so viele Dinge in meinem Land verläuft die Straße von der Brücke zum Flußufer ohne erkennbaren Sinn im Sande. Sie ist einfach nur da, genau wie wir. Ich bringe den Wagen auf dem Kies, der den Asphalt unvermittelt ablöst, zum Stehen, etwa dreißig Meter von dem mit Männern, Frauen und Kindern umringten Mercedes entfernt. Sie sind abgerissen, gehen gebeugt und nehmen unwillkürlich die demütige Haltung der Armen in Gegenwart von Cops ein. Manche von ihnen haben die verklebten Augen und den schiefen Mund von Alkoholikern. Wir werden nie erfahren, wer bei der Polizei angerufen hat. Sie werden uns nichts sagen. Sie gehören demselben Volk an wie ich.
    Pichai steigt als erster aus dem Wagen. Er hat die Waffe immer noch umgeschnallt, die jetzt auf seiner linken Pobacke ruht. Ich lege das Holster ebenfalls an, während wir über den Kies auf die Leute zumarschieren, die den Weg für uns freimachen.
    »Was ist passiert? Was glotzt ihr so?« Kein Murmeln, nicht einmal ein Nicken; nur eine barfüßige Alkoholikerin mit zerrissenem T-Shirt und Sarong hebt den Kopf, schaut in Richtung Brücke und stößt ein Heulen aus. Gleichzeitig grunzt Pichai, wie ein mutiger Mann grunzt, wenn ein anderer aufschreien würde. Er weicht von dem Wagen zurück, damit ich besser sehen kann. Ich grunze ebenfalls, doch bei mir ist das der Versuch, meine Angst zu dämpfen.
    Ich blicke Pichai an, weil er der bessere Schütze von uns beiden ist. Pichai sagt: »Schau dir die Tür an.«
    Bei dem fünftürigen Mercedes handelt es sich um ein Hecktürmodell. Jemand hat die Vorder- und Hintertür auf der Fahrerseite mit einer C-förmigen Stahlklammer, wie sie im Baugewerbe verwendet wird, verriegelt. Selbst ein Kind könnte das Fenster von innen herunterkurbeln, das Ding entfernen und aus dem Wagen aussteigen, aber dazu brauchte man Zeit, Zeit, um herauszufinden, was die Türen blockiert, Zeit, um das Fenster zu öffnen. Außerdem wäre ein klarer Verstand nötig, ein Verstand, der nicht von Panik vernebelt ist.
    Viele Amerikaner haben Angst vor Schlangen, sogar Marines. Der Vietcong hat sie in den Tunnels von Cu Chi höchst wirkungsvoll eingesetzt. Diese hier, eine gewaltige Python, liegt um Schultern und Hals des Schwarzen und versucht gerade, seinen großen Kopf zu verschlingen. Normalerweise zittern Pythons nicht so, und normalerweise fahren sie auch nicht in einem Mercedes. Schüttelt der Schwarze die Python, oder ist es umgekehrt?
    Ich sage den Leuten, sie sollen zurücktreten, während Pichai seine Waffe aus dem Holster zieht. »Die Kugel könnte vom Glas abprallen und jemanden verletzen. Suchen Sie Schutz unter der Brücke.«
    Sobald sie meiner Aufforderung nachgekommen sind, geht Pichai vor dem Fahrerfenster in die
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