Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
sei.
    »Wohin könnte Ihr Sohn geflüchtet sein?« fragte Zeng scharf, als Tong auf sein Sofa gesunken war. »Wo könnte er sich verstecken? Oder deutlicher gefragt: Wohin würden Sie flüchten, wenn man Sie verfolgt?«
    »Ich würde nicht flüchten, ich würde mich zu meiner Tat bekennen.« Es waren die ersten Worte, die Tong sprach, und sie klangen, als seien sie im Schlaf gesprochen.
    »Auch wenn Sie wüßten, daß Sie hingerichtet werden?«
    »Auch dann. Ein Tong läuft vor seiner Verantwortung nicht davon. Von unserer Familie sind sieben durch das Schwert gestorben. Der erste im Jahre 1065 unter der Liao-Dynastie, der zweite unter dem Kaiser Zhu Youtang im Jahre 1499 – «
    »Und der letzte 1989 in Kunming unter dem Vorsitzenden Deng Xiaoping«, brüllte Zeng.
    »Ich bin bereit.« Tong sah müde zu ihm auf. »Sie zerreißen nur einen leeren Sack, Genosse.«
    Irgend jemand von der Universität mußte Fengxia benachrichtigt haben. An der Hand von Wu Junghou, hochschwanger mit einem sich vorwölbenden Bauch, stürzte sie ins Haus und fuhr wie ein feuerspeiender Drache auf Zeng zu. »Was stellen Sie mit meinem Vater an?« schrie sie und stieß Zeng zur Seite. »Ist das die zweite Kulturrevolution, in der man die letzte Intelligenz vernichtet?«
    Wu Junghou brüllte hinterher: »Ich werde das Zentralkomitee alarmieren. Ich bin Wu, der Leiter der Gesundheitsabteilung. Ihren Namen!«
    »Ich habe von Ihnen gehört, Wu. Alle Funktionäre sind in unserem Computer verzeichnet. Ich bin Zeng Qifeng, Kommissar der Geheimpolizei.«
    »Ein kleiner, beschissener Kommissar wagt es, meinen Vater anzugreifen?« schrie Fengxia. »Ich werde dafür sorgen, daß man Sie in Tibet verschimmeln läßt. Was hat mein Vater mit den sinnlosen Demonstrationen zu tun?«
    »Tong Shijun ist der Vater eines der Rädelsführer von Beijing.«
    »Jian?« Fengxias Augen weiteten sich, ihr Mund klaffte auf. »Jian?« wiederholte sie, als ihr Herz wieder schlug.
    »Tong Jian.« Zeng nickte mehrmals. »Wir haben aus Beijing seinen Namen bekommen. Bei den Toten und Verwundeten hat man ihn nicht gefunden, er ist auf der Flucht. Ich frage Sie, Genossin – «
    »Fragen Sie nicht«, unterbrach ihn Fengxia, »es gibt keine Antwort. Für mich gehört mein Bruder nicht mehr zur Familie. Bis heute habe ich seinen Namen nicht mehr genannt.«
    »Sie wußten also von seinen wahnsinnigen Ideen?«
    »Wir haben uns gehaßt wie zwei Tiger, aus persönlichen Gründen. Welche Schuld trifft da meinen Vater?«
    »Ich will wissen, was er weiß.«
    »Er weiß nur, daß sein Sohn einer der besten Medizinstudenten in Beijing war. Um anderes hat er sich nie gekümmert. Mein armer Vater! Und Sie, Kommissar, gehen Sie!«
    »Es muß ein Protokoll angefertigt werden, Genossin.«
    »Worüber? Daß ein Vater seinen Sohn verloren hat?«
    »Was hat Ihr Vater in der Nacht zum 4. Juni gemacht?«
    »Er hat an der Seite meiner Mutter geschlafen.«
    »Und am 4. Juni, als wir den Aufruhr zerschlagen haben?«
    »Ich nehme an, er war entsetzt. Wir haben nicht miteinander gesprochen.«
    Zeng blickte Tong an, der mit gesenktem Kopf, in sich zusammengesunken auf dem Sofa saß. »Warum antwortet er nicht selbst?« fragte er.
    »Er hat keine Stimme mehr. Er spricht durch mich. Genügt Ihnen das nicht, Kommissar?«
    Wu war zum Telefon gegangen und hatte den Hörer abgehoben.
    Zeng streckte den Arm aus. »Wen wollen Sie anrufen, Wu Junghou?«
    »Das Komitee!«
    »Es ist nicht nötig«, sagte Zeng schnell. »Ich verlasse das Haus. Ich habe nur meine Pflicht getan. Ich hatte einen Befehl.« Er winkte und verließ mit seinem Trupp das Haus.
    Meizhu, nun nicht mehr bewacht, stürzte aus dem Schlafzimmer in den Wohnraum und setzte sich neben ihren Mann auf das Sofa. Sie umarmte ihn, drückte seinen Kopf an ihre Brust und streichelte ihn.
    »Vater«, sagte Fengxia, »es ist vorbei. Sie werden nicht wiederkommen. Leg dich nieder und ruh dich aus.«
    Tong hob den Kopf und antwortete: »Ausruhen? Ich bin tot.« Meizhu zog ihn wieder an sich, und gemeinsam weinten sie.
    In Huili, wo man die Nachrichten aus Beijing am Radio gehört hatte, saß Huang Keli mit leerem Blick am Tisch und rührte den Tee nicht an, den Jinvan ihm aufgebrüht hatte. Als der Name Tong Jian fiel, nach dem jetzt im ganzen Land gesucht wurde, sagte er mit gebrochener Stimme: »Lida ist bei ihm, und sie werden auch Lida hinrichten. Jinvan, lohnt es sich noch zu leben? Wofür sollen wir arbeiten?«
    »Für uns, Keli. Für uns. Und wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher