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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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allem«, sagte er, »trotz allem, Stefan … Ich bin froh, daß du da bist …«
    »Trotz allem?«
    »Ich … ich habe über euch nachgedacht. Du … du wirst mir helfen? Du mußt. Es ist … es ist so wichtig …«
    Lindners Gesicht spannte sich in der Anstrengung des Sprechens, die Schmerzen, die das hervorrief, preßten ein Stöhnen durch seine Lippen. »Wirklich, Stefan … Ich habe einen wichtigen Termin … eine Besprechung mit meinen …« Wieder unterbrach er sich, und wieder benötigte er alle Kraft für die nächsten Worte: »… wichtigsten Partnern. Heute noch …«
    Er atmete röchelnd, und dann kamen noch vier Worte: »Du bist mein Freund …«
    Bergmann setzte sich auf die Bettkante. Dein Freund? Und schon ein Toter für dich, dachte er. Er griff wieder zu dem silbernen Drehbleistift in seiner Brusttasche.
    »So, Thomas, gleich ist es vorbei.«
    Er lächelte. »Sieh mich an … Versuch es doch, mach die Augen auf, richte sie auf den Bleistift … So schwer, wie du glaubst, ist das nicht, überhaupt nicht. Schwer sind nur deine Augenlider, nur sie, immer schwerer und schwerer …
    Ja, Thomas, du spürst es schon … deine Augenlider sind schwer, doch dein Kopf wird leicht … immer leichter. Der Druck verschwindet. Spürst du, wie er verschwindet? Spürst du, wie meine Hand den Blutandrang zurückdrückt? Ganz langsam, Thomas … ganz langsam … noch ein wenig … und wieder …«
    Lindners Stirn glättete sich, der verzerrte Mund wurde gelöster. Bergmann beugte sich noch weiter zu ihm und führte seine Hand an Lindners Stirn vorbei.
    »Spürst du meine Hand? O ja, sie ist ganz nah, sie führt dich jetzt, sie hat dir alles weggenommen. Es ist so ruhig um dich, Thomas, so ruhig und still und leicht. Es strömt in dich, wird dunkel und angenehm – wie damals, Thomas, weißt du noch, damals im Schrank unter dem Dach? Damals, als der Lampion brannte. Siehst du den Lampion, dieses schöne rosafarbene Lampionlicht? Es tut nicht weh wie das andere Licht. Es ist ein schönes Licht. Es wird dich führen, Thomas, und einhüllen – so wie damals. Alles ist wie damals im Schrank, als niemand dir weh tun oder dich ausschimpfen konnte … nicht der Vater, nicht die Mutter. Wie damals, Thomas, als du wußtest, daß alles gelingen wird – alles …«
    Stefan sprach die einzelnen Worte langsam, ließ eines nach dem anderen in das Bewußtsein des Mannes dringen, der da vor ihm lag. Und jedes der Worte war eine Brücke zu einer anderen neuen Realität. Die aber lag in Bergmanns Hand.
    »Das Licht – das rosa Licht hat dich zu einem großen Mann gemacht, Thomas. Es wird immer weiterleuchten, wenn du es willst … Du mußt es nur wollen … und du mußt es holen, Thomas – bald. Dann, wenn du dich kräftig und stark fühlst, mußt du es holen … Du fliegst zu ihm … so schön ist es, zu fliegen … Du steigst in einer halben Stunde in den Hubschrauber und fliegst zum Col. Dort wartet das Licht auf dich, dort, wo die Klinik ist – genau dort … Hol es dir … hol das Licht. Flieg in einer halben Stunde …«
    Bergmann unterbrach. Lindner öffnete die Augen. Sie starrten zur Decke.
    »Flieg, Thomas, hol das Licht. Am Col ist das Licht. Nicht landen, Thomas, nicht landen … Der Hubschrauber holt das Licht. Laß ihn machen – nur ihn …«
    »So ein schöner Tag, was?« sagte der Taxifahrer und lächelte.
    Das Meer lag ruhig da, graublau, glatt wie ein Kuchenteller mit einer schmalen weißen Schaumbordüre.
    »Ich wollte eigentlich nicht rumgurken …« Das Taxi rollte, der Chauffeur mit dem Bauerngesicht lächelte in sich hinein. »Jetzt gibt's jede Menge zu Hause zu tun. Ich hab da einen Weinberg. Da geht's jetzt richtig los: aufräumen, saubermachen und so … Dann aber hab ich mir gesagt: Wieso? Vielleicht greifst du dir 'nen Fahrgast. Wenn nicht, auch nicht schlimm … Aber du hast 'nen guten Tag …«
    Einen guten Tag?
    Stefan hätte gern irgend etwas geantwortet, doch die Welt – sie schien so unwirklich. Er fühlte nichts als Leere, eine endgültige, alles umfassende lähmende Gleichgültigkeit.
    »Wissen Sie«, sagte der Taxifahrer, »ich bin ja froh, daß ich ein bißchen Land habe. So was steckt im Blut. Bauern waren wir in unserer Familie immer, das ist mein Beruf.«
    Beruf … Selbst dieses Wort löste bei Stefan kaum ein Echo aus.
    Als er die Villa Wilkinson verließ und in das Taxi stieg – vor knapp einer halben Stunde –, war es anders gewesen. Er hatte sich gesagt: Vorbei! Jetzt hast du deinen
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