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Der Hund im Kuehlschrank

Der Hund im Kuehlschrank

Titel: Der Hund im Kuehlschrank
Autoren: Cordula Carla Gerndt
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wenn sie auf offene Ohren treffen.
     
    Vermutlich gibt es kaum einen Menschen, der sich nicht an mindestens eine Situation in seinem Leben erinnert, in der ihn ein Wort oder ein Satz so tief berührt hat – im positiven oder im negativen Sinn –, dass das dazugehörige Körpergefühl noch nach Jahren spürbar ist. Das kann ein Heiratsantrag gewesen sein oder ein besonderes Wort des Lobes. Vielleicht auch ein
strafender Satz der Eltern oder die abwertende Bemerkung eines Lehrers. Oder ein ganz unerwarteter Ausspruch eines Fremden bei einer Begegnung auf der Straße, der, ohne dies zu ahnen, genau ins Schwarze getroffen hat. Solche Worte dringen in jede Zelle, schwingen dort nach und werden immer wieder lebendig, sobald die Erinnerung an das Erlebnis wachgerufen wird. Worte können verletzen und kränken. Worte können aber auch heilen und stärken. Worte haben Schwingung, Kraft und eine körperliche Wirkung.
    Der Zauberklang der Worte
    Erinnern Sie sich an ein Märchen oder eine Geschichte, die Sie in Ihrer Kindheit gehört oder gelesen haben? Vielleicht hat sich eine so tief eingeprägt, dass Sie sie heute noch wissen? Immer wieder erlebe ich bei Erzählveranstaltungen, wie jemand auf einmal leuchtende Augen bekommt, sobald er eine bestimmte Geschichte hört. »Ach ja, Der kleine Muck . . . Das Märchen hatte ich als Schallplatte und habe es bestimmt tausend Mal gehört. Als Kind konnte ich die ganze Geschichte auswendig.« – » Der Teufel mit den drei goldenen Haaren! Das war mein Lieblingsmärchen! Ich wollte es jeden Abend wieder vorgelesen bekommen! « Oft ist es einfach der Zauberklang fremder Worte, der im Gedächtnis bleibt. Beispielsweise das Verwandlungswort, das der Kalif und sein Diener in Wilhelm Hauffs Märchen Kalif Storch im entscheidenden Moment vergessen haben. Die beiden brauchen das magische Wort, um sich von ihrer Storchengestalt in Menschen zurückverwandeln zu können. Als Leser oder Hörer des Märchens möchte man den beiden gern helfen und rufen: »Mutabor! Mutabor! Das Wort hieß ›Mu-ta-bor‹!« Was geschieht nun, wenn man sich eine Geschichte einverleibt? Stellen
Sie sich eine Erzählsituation wie ein geselliges Essen vor. Man sitzt beisammen, nimmt etwas in sich auf, genießt und tauscht sich hinterher darüber aus. Dem einen war das Geschichtengericht vielleicht zu salzig, für den anderen hatte es zu viel Pfeffer, dem dritten kam es zu süßlich daher, dem nächsten war es zu wenig, dem übernächsten zu viel, und anderen hat es perfekt gemundet. Geschmäcker und Bedürfnisse sind verschieden. Was uns aber neben den persönlichen Vorlieben und Abneigungen miteinander verbindet, ist das gemeinsame Erleben. Die moderne Kommunikation mutet – um im Bild zu bleiben – oft wie Fast Food an: große Mengen, wenig Substanz, einsam, hektisch, schnell. Das Teilen von guten Erzählungen kann man dagegen mit biologischer Vollwertkost vergleichen: natürlich, nahrhaft, nachhaltig, gemeinschaftlich.
     
    Eine Geschichte ist dann gut, wenn sie satt macht!
    Ein Gespräch ist dann gut, wenn es mundet!
    Das Staunen lernen
    Kinder leben uns eine natürliche Kommunikation vor. Sie sind zunächst aufmerksame Zuhörer, lernen dann die Sprache, die sie um sich herum hören, und werden schließlich selbst zu kreativen Erzählern. Bevor der Leistungsdruck beginnt – »Du musst ›gut‹ sprechen!«, »Du musst alles ›richtig‹ machen!«, »Du musst flüssig lesen können und die Rechtschreibung beherrschen!« – reden Kinder, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Sie sprudeln über vor Ideen. Die Phantasie entfaltet sich ungebremst. Dieser kindliche Anteil im Erwachsenen, dieses innere Kind, ist für eine lebendige Kommunikation unverzichtbar. Wer erwachsen wird, dabei aber sein inneres Kind vergisst oder es bewusst
aus der Kommunikation heraushält, wird seine Zuhörer kaum zu begeistern wissen. Er bleibt allzu sachlich und farblos und bringt niemanden zum Staunen. Übertreiben, ausmalen, anschauliche Bilder entstehen lassen – all das macht Gespräche bunt und abwechslungsreich. Dazu eine kleine Geschichte:
     
    Ein Reisender erzählt seinen Freunden nach seiner Heimkehr von den Wundern, die ihn unterwegs zum Staunen brachten. »In einem fernen Hafen«, sagt er, »da habe ich ein Schiff gesehen, das war so groß, dass ein Schiffsjunge, der vom Heck loslief, weiße Haare hatte, wenn er am Bug ankam.« – »Das ist doch nichts Besonderes«, sagt da ein Zuhörer. »In einem Wald, nicht weit von
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