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Der Hund im Kuehlschrank

Der Hund im Kuehlschrank

Titel: Der Hund im Kuehlschrank
Autoren: Cordula Carla Gerndt
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geben, die uns von Mund zu Ohr beatmen, indem sie die alten Geschichten zu neuen Fäden spinnen.« [Ref 1]
    (Günter Grass)

     
    Wie wir miteinander kommunizieren
    Von Hühnern und Truthähnen Eine Geschichte vom Erzählen und Zuhören
    Einmal, so erzählt man sich, ging Nasreddin Hodscha 1 auf den Marktplatz seines Dorfes, um einzukaufen. Da bemerkte er eine große Menschenmenge, die sich um den Marktstand eines reichen Kaufmanns versammelt hatte. Neugierig kam Nasreddin näher und sah, wie der Kaufmann ein zerrupftes Huhn in einem rostigen Käfig in die Höhe hielt und rief: »Huhn – 100 Goldstücke! Dieses Huhn für 100 Goldstücke!« – »Das ist ein stattlicher Preis für ein Huhn«, sagte der Hodscha zum Kaufmann. »Was kann denn dein Huhn?« – »Mein Huhn kann sprechen«, antwortete der Kaufmann.
     
    Da lief Nasreddin geschwind zurück nach Hause, schnappte sich seinen alten Truthahn und kehrte damit auf den Marktplatz zurück. Dort stellte er sich wenige Meter neben den Stand des reichen Kaufmanns, hielt den Truthahn in die Höhe und rief: »Truthahn – 200 Goldstücke! Truthahn für 200 Goldstücke!« Die Menschen, die gerade noch beim Kaufmann gestanden hatten, liefen sogleich zum Hodscha hinüber. Auch der Kaufmann wurde neugierig. »Aber Nasreddin!«, sagte er. »Du verkaufst
einen alten Truthahn für 200 Goldstücke!? Was kann denn dein Truthahn?« Da erwiderte der Hodscha: »Mein Truthahn kann zuhören.«
    Wenn Gespräche nicht satt machen
    Erzählen und Zuhören – so einfach und doch so kompliziert. Wie viel kann schiefgehen beim schlichten Wechsel von Worten. Neulich erzählte mir eine Freundin von ihrem Erleben bei einer Geburtstagsfeier. Sie saß drei Stunden lang beim Festessen neben einer Person, die nicht mehr als eine Handvoll Worte mit ihr sprach. Diese Person reagierte auf keine Frage mit wirklichem Interesse und antwortete einsilbig und ohne Engagement. Gegenüber am Tisch aber saß ein Mensch vom Typ selbstsicherer Alleinunterhalter. Drei Stunden lang hielt er ununterbrochen
Monologe, ließ niemanden zu Wort kommen und sprach nur von sich selbst. Völlig erschöpft kehrte meine Freundin am Abend nach Hause zurück und war zwar satt vom Essen, aber hungrig nach zwischenmenschlichem Austausch.
     
    Wenn Kommunikation misslingt, laufen Gespräche ins Leere. Sätze erreichen niemanden, sondern fallen neben den Ohren der Zuhörer einfach zu Boden. Informationsberge verstellen den Blick auf das Eigentliche. Behauptungen erschlagen das Gegenüber. Worte wandern von hier nach dort und bleiben doch ungehört. Wesentliches liegt unausgesprochen in der Luft. Am Ende hat man ermüdete Redner und enttäuschte Zuhörer, die einander nicht verstanden haben. Folgender Wortwechsel zwischen zwei Frauen kam mir neulich nach einem zweistündigen Vortrag zu Ohren. Der Minidialog bringt die misslungene Kommunikationssituation unfreiwillig komisch auf den Punkt:
     
    »Worüber hat der Redner eigentlich gesprochen?«
    »Das hat er nicht gesagt.«
     
    Wir alle kennen Situationen, in denen Kommunikation scheitert. Da treffen, wie im Fall meiner Freundin, Vielredner auf Schweigsame, Dauerplauderer auf Wortkarge, Alleinunterhalter auf Smalltalkkünstler oder Phrasendrescher auf Besserwisser. Da werden bei einem Geschäftsessen viele Worte verloren und nichts dabei gewonnen. Da sitzen in einer Talkrunde politisch engagierte Menschen zusammen, und keiner antwortet auf die Fragen der Moderatorin oder des Moderators. Alle reden gezielt daran vorbei und äußern vorgefertigte Sätze, die sie sich lange im Voraus zurechtgelegt haben. Da sitzt eine Familie beim
Abendessen zusammen, und jeder spricht von etwas anderem, oder alle schweigen, und keiner weiß, was er eigentlich sagen soll. Es kommt kein wirkliches Gespräch zustande. Hungrig nach Nähe, echtem Kontakt und vergnüglichem Miteinander bleibt jeder allein zurück. Je komplexer die Möglichkeiten, sich auszutauschen, je vielfältiger die Situationen, je umfassender die Themen, je größer die Menge an Informationen, je knapper die Zeit, desto schwieriger scheint es zu sein, Missverständnisse in der Kommunikation zu vermeiden und einander mit Worten wirklich zu begegnen.
     
    Wie aber kann Erzählen und Zuhören im Alltag gelingen, sodass es nicht ermüdet und erschöpft, sondern bereichert und stärkt? Was braucht unsere Kommunikation, um nicht sinnlos und überflüssig zu werden, sondern Grundlage zu sein für echte Begegnungen und kreative Antworten
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