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Der Hund im Kuehlschrank

Der Hund im Kuehlschrank

Titel: Der Hund im Kuehlschrank
Autoren: Cordula Carla Gerndt
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Welche Informationen sind wesentlich und für einen Zuhörer interessant? Was ist erzählenswert? Woran erkenne ich überflüssiges Gerede, mit dem die Aufnahmefähigkeit eines Partners überfordert wird? Oft ist weniger mehr. In dieser Hinsicht lässt sich manches von traditionellen Geschichten und von den alten Meistern der Erzählkunst lernen. Qualitätsbewusstsein entsteht, indem man Qualität erlebt. Es geht bei der Frage nach einer lebendigeren Kommunikation weniger um eine Entscheidung zwischen alten und neuen Formen der Gesprächsführung, sondern vielmehr um ein Sowohl-als-auch von Tradition und Gegenwart auf der Basis erzählerischer Kompetenz.
     
    Das Wort »Kommunikation« kommt vom lateinischen communicare, was etwas gemeinschaftlich tun, miteinander teilen bedeutet. Die soziale Komponente des gemeinschaftlichen Tuns und des Teilens kommt uns heute immer mehr abhanden. Kommunikation ist technisch geworden. Kommunikationsmöglichkeiten wie Telefon, Fax, Handy, E-Mail, iPhone, SMS, Computer und dergleichen mehr bestimmen unseren Alltag. Vieles davon ist nützlich, um Informationen um die Welt fließen zu lassen und um sich über nahe und weite Distanzen miteinander zu verständigen. Für eine natürliche Erzählkultur sind diese sehr schnelllebigen Medien und Möglichkeiten eher hinderlich.
     
    Für eine mit Leben gefüllte, unmittelbare, menschliche Kommunikation bedarf es eines anderen »Wissens« und eines anderen »Erkenntniswegs«. Die Motivation für überzeugendes Erzählen
liegt mehr im Innen als im Außen. Sie liegt nicht in einer Ansammlung von Fakten, sondern darin, die eigene Begeisterung für etwas zu spüren und ihr Ausdruck zu verleihen. Ein Erzähler lädt seine Zuhörer in seine Welt ein, er teilt Erlebnisse und Erfahrungen mit, in dem Wissen, dass dies für andere eine Bereicherung sein kann. Wer erzählt, erklärt nicht. Wer erzählt, schenkt innere Bilder und Erfahrungen. Wer erzählt, kann andere mitreißen und inspirieren. Wer erzählt, schafft einen Raum, in dem eine Geschichte für sich selbst spricht. Wer erzählt, ist mit seinen Zuhörern in Kontakt und hört ihnen – auch während er selbst spricht – aufmerksam zu, damit das Gespräch zu einem gemeinschaftlichen Ereignis werden kann.
    Worte sind leiblich
    Jeder Mensch hat seine Geschichte und seinen persönlichen Erfahrungsschatz. Dazu gehört das, was er selbst erlebt hat, aber auch das, was er von anderen gehört oder irgendwo aufgelesen hat. Dabei sammelt er unzählige Bilder und Geschichten, die er in seiner inneren Schatzkammer aufbewahrt. Es gibt so viele Perspektiven auf das Leben, wie es Menschen gibt. Darum ist es bereichernd, ja im Grunde unverzichtbar, einander davon zu erzählen. Doch was wählen wir aus, um es anderen zu sagen? Was ist für uns der Rede wert? Wofür holen wir Luft? Was wollen wir wirklich ausdrücken? Und wie sagen wir es? Wie kann Kommunikation im Alltag so spannend und aufregend werden, dass die Menschen Handys, Fernseher und Computer für eine Weile ausschalten und stattdessen lieber einem Erzähler oder einer Erzählerin lauschen? Jeder spricht auf seine eigene, unverwechselbare Weise. Es gibt dabei kein richtig oder falsch. Wenn hundert Menschen dasselbe Erlebnis schildern, erhält man hundert Varianten
eines Themas. Wenn hundert Erzählerinnen oder Erzähler vom Froschkönig erzählen, hört man hundert verschiedene Spielarten dieses Märchens. Jedes Leben birgt einen unermesslichen Schatz an Erzählstoff, und jeder Mensch präsentiert ihn auf seine Weise.
     
    Wenn Sie die Nachrichten sehen oder im Internet nach einem Begriff googeln, spüren Sie es am eigenen Leibe: Bei so viel Information kommt das Erleben des Gehörten und Gelesenen nicht mehr hinterher. Worte müssen verdaut werden wie Essen. Sie brauchen Zeit, um einverleibt zu werden, damit sie uns nähren. Worte wirken über die reine Information hinaus. Worte sind leiblich. Vom Atem in die Welt getragen und von fremden Ohren aufgenommen, bringen sie etwas in uns und um uns herum in Schwingung. Manche Worte zergehen dabei wie Konfekt auf der Zunge, andere bleiben einem im Hals stecken oder sind schwer verdaulich. Manche Worte sind hart oder sperrig, andere bunt und voller Phantasie. Man kann Worte ungesagt hinunterschlucken oder sie verächtlich ausspucken, man kann sie hinausschreien oder jemandem liebevoll ins Ohr flüstern. Worte sind im Körper verwurzelt, bevor sie ausgesprochen werden. Und Worte werden wieder körperlich,
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