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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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fragte Mr Dinsmead. »Es ist eine schlimme Nacht, sonst nichts. Hab keine Angst, hier an unserem Kamin sind wir sicher, und kein Mensch wird uns stören. Es wäre ein wahres Wunder, wenn jetzt jemand käme. Und Wunder gibt es nicht. Nein«, fügte er mit einem Unterton sonderbarer Befriedigung hinzu, als spräche er zu sich selbst, »Wunder gibt es nicht.«
    Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, klopfte es an die Haustür. Mr Dinsmead schien zu erstarren. »Wer kann das sein?«, murmelte er.
    Mrs Dinsmead stieß einen leisen, wimmernden Schrei aus und zog sich den Schal enger um die Schultern. Magdalens Gesicht bekam etwas Farbe, sie beugte sich vor und sagte zu ihrem Vater: »Das Wunder ist geschehen. Geh lieber aufmachen und lass denjenigen herein, der draußen steht – wer es auch ist.«
     
    Zwanzig Minuten früher hatte Mortimer Cleveland im Nebel und strömenden Regen da gestanden und seinen Wagen betrachtet. Das war wirklich ein verdammtes Pech! Zwei Reifenpannen innerhalb von zehn Minuten, und da war er nun, gestrandet, meilenweit von irgendwo, mitten in den kahlen Wiltshire Downs, die lange Nacht vor sich und nirgends eine Zuflucht. Doch es geschah ihm recht, warum hatte er versucht, die Abkürzung zu nehmen? Wäre er nur auf der Hauptstraße geblieben! Jetzt hatte er sich in den Hügeln auf einem Feldweg verfahren, saß mit dem Wagen fest und hatte keine Ahnung, ob es in der Nähe überhaupt ein Dorf gab.
    Beunruhigt schaute er sich um, und auf einmal entdeckte er über sich auf dem Hügel einen Lichtschimmer. Im nächsten Moment verschwand er wieder im Nebel, aber Cleveland wartete geduldig und sah kurz darauf das Licht zum zweiten Mal. Nachdem er kurz überlegt hatte, begann er den Hügel hinaufzusteigen.
    Bald hatte er den Nebel hinter sich gelassen und stellte fest, dass der Lichtschein aus dem Fenster eines kleinen Hauses fiel. Dort gewährte man ihm ganz gewiss Unterkunft. Cleveland beschleunigte den Schritt und senkte den Kopf, um sich gegen den wütenden Angriff von Wind und Regen zu stemmen, die sich größte Mühe gaben, ihn zurückzutreiben.
    Cleveland war auf seine Weise eine Berühmtheit, obwohl zweifellos die Leute in der Überzahl waren, die weder seinen Namen kannten noch wussten, was er geleistet hatte. Er war eine Autorität auf dem Gebiet der Erforschung des menschlichen Geistes und hatte zwei hervorragende Bücher über das Unbewusste geschrieben. Er war Mitglied der »Gesellschaft zur Erforschung des Übersinnlichen« und beschäftigte sich auch mit Okkultismus, soweit er seine eigenen Erkenntnisse und Forschungen berührte.
    Er war von Natur aus besonders empfänglich für Stimmungen und hatte diese Gabe durch zielbewusste Schulung noch weiter ausgebildet. Als er das kleine Haus schließlich erreicht hatte und an die Tür klopfte, empfand er Erregung, eine immer größer werdende Neugier, als seien alle seine Sinne plötzlich aufs Höchste angespannt.
    Er hatte deutliches Stimmengemurmel gehört, aber nachdem er geklopft hatte, trat Stille ein. Dann wurde ein Stuhl zurückgeschoben. Kaum eine Minute später riss ein ungefähr fünfzehnjähriger Junge die Tür auf. Über seine Schulter hinweg blickte Cleveland direkt in ein erleuchtetes Zimmer.
    Die Szene erinnerte ihn an das Gemälde eines niederländischen Meisters. Ein runder, zum Essen gedeckter Tisch, eine Familie, die sich an diesem Tisch versammelt hatte, ein paar flackernde Kerzen und über allem der glühende Schein des Kaminfeuers. Der Vater, ein großer, breiter Mann, saß an der einen Seite des Tisches, ihm gegenüber eine kleine, farblose Frau mit einem verängstigten Gesicht. Der Tür zugewandt saß ein Mädchen. Sie sah Cleveland an. Ihre erschrockenen Augen schauten direkt in die seinen, und ihre Hand, die eben die Tasse an die Lippen heben wollte, hielt mitten in der Bewegung inne.
    Sie war, das sah Cleveland sofort, ein schönes Mädchen und ein höchst ungewöhnlicher Typ. Ihr rotgoldenes Haar umgab ihr Gesicht wie eine Wolke, ihre sehr weit auseinanderstehenden Augen waren von reinem Grau. Sie hatte den Mund und das Kinn einer frühitalienischen Madonna.
    Einen Augenblick herrschte tödliche Stille. Dann trat Cleveland ins Zimmer und erklärte seine missliche Lage. Als er seine banale Geschichte zu Ende erzählt hatte, folgte wieder eine rätselhafte Pause. Schließlich stand der Vater auf, doch es sah aus, als müsse er sich dazu zwingen.
    »Kommen Sie herein, Sir – Mr Cleveland, wenn ich richtig verstanden
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