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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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Anscheinend war sie nicht ums Leben gekommen, sondern mit einem Häufchen von anderen Flüchtlingen nach England gegangen. Ich nahm mir die Mühe, ihre Spur zu verfolgen, und fand heraus, dass man sie nach Folbridge in Cornwall geschickt und in Haus ›Trearne‹ einquartiert hatte.«
    Ich nickte. »Meine Schwester hat bei Kriegsausbruch eine ganze Menge von belgischen Flüchtlingen in ihrem Haus aufgenommen. Ungefähr zwanzig.«
    »Ich hatte mir immer vorgenommen, die Frau mal aufzusuchen und mir von ihr selbst erzählen zu lassen, wie das Unglück geschah. Aber vor lauter Arbeit und dem ganzen sonstigen Hin und Her hab ich schließlich nicht mehr dran gedacht. Cornwall liegt ja auch ein bisschen weit ab. Inzwischen hatte ich die Geschichte sowieso total vergessen; erst als Sie eben von Folbridge sprachen, ist sie mir wieder eingefallen.«
    »Ich muss meine Schwester fragen«, sagte ich. »Vielleicht hat sie etwas davon gehört. Die Belgier sind inzwischen natürlich längst wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.«
    »Freilich. Trotzdem, sollte Ihre Schwester tatsächlich etwas von der Sache wissen, würde ich mich freuen, wenn Sie mir Bescheid gäben.«
    »Selbstverständlich«, beteuerte ich.
    Damit war der Fall erledigt.
     
    Es war am zweiten Tag nach meiner Ankunft in »Trearne«, als mir die Geschichte wieder einfiel. Meine Schwester und ich saßen gerade beim Tee auf der Terrasse.
    »Kitty«, sagte ich, »hattest du nicht eine Nonne unter deinen Belgiern?«
    »Du meinst doch nicht etwa Schwester Marie-Angélique?«
    »Möglicherweise«, erwiderte ich vorsichtig. »Erzähl mir was von ihr.«
    »Oh, mein Lieber, sie war eine höchst unheimliche Person. Sie lebt übrigens noch hier.«
    »Was? Hier im Haus?«
    »Nein, nein. Im Dorf. Dr. Rose – du erinnerst dich an Dr. Rose?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich erinnere mich an einen alten Herrn von ungefähr dreiundachtzig. «
    »Ach, das war Dr. Laird. Der ist tot. Dr. Rose ist erst seit ein paar Jahren hier. Er ist noch ganz jung und sehr aufgeschlossen für neue Ideen. Er hat sich ganz ungeheuer für Schwester Marie-Angélique interessiert. Sie hat Halluzinationen und dergleichen, weißt du, und ist deshalb anscheinend vom medizinischen Standpunkt aus hochinteressant. Die Arme, sie wusste nicht wohin – meiner Meinung nach ist sie einfach nicht richtig im Kopf, aber irgendwie beeindruckend eben, wenn du verstehst, was ich meine… na, wie gesagt, sie wusste nicht wohin, und da hat Dr. Rose sie freundlicherweise im Dorf untergebracht. Ich glaube, er schreibt eine Monografie über sie, oder wie man das bei Ärzten nennt.«
    Kitty machte eine Pause und fragte dann plötzlich: »Aber wieso weißt du denn von ihr?«
    »Mir ist da eine recht merkwürdige Geschichte zu Ohren gekommen.«
    Ich gab die Geschichte so weiter, wie ich sie von Ryan gehört hatte. Kitty hörte interessiert zu.
    »Sie sieht aus wie jemand, der einen in die Luft sprengen könnte«, bekräftigte sie am Schluss.
    »Mir scheint«, entgegnete ich mit wachsender Neugier, »ich muss diese Frau kennen lernen.«
    »Tu’s. Ich möchte gern wissen, was du von ihr hältst. Aber erst musst du Dr. Rose aufsuchen. Warum gehst du nicht gleich nach dem Tee hinunter ins Dorf?«
    Ich stimmte ihrem Vorschlag zu.
    Dr. Rose war zuhause, und ich stellte mich vor. Er schien ein angenehmer junger Mann zu sein, doch es lag etwas in seinem Wesen, das mich abstieß, eine Forschheit, die mich nicht sehr sympathisch berührte.
    Sobald ich Schwester Marie-Angéliques Namen erwähnte, richtete er sich gespannt auf. Offenbar war er brennend an ihr interessiert. Ich wiederholte ihm Ryans Erzählung.
    »Aha!« sagte er nachdenklich. »Das erklärt allerdings vieles!« Nach einem schnellen Blick auf mich fuhr er fort: »Der Fall ist wirklich hochinteressant. Als die Frau hierherkam, hatte sie offenbar kurz zuvor einen schweren seelischen Schock erlitten. Außerdem befand sie sich in einem hochgradigen geistigen Erregungszustand. Sie neigte zu Halluzinationen von äußerst erschreckender Natur. Ja, sie ist eine höchst ungewöhnliche Persönlichkeit. Vielleicht würden Sie gern mit mir kommen und sie kennen lernen. Sie ist wirklich einen Besuch wert.«
    Ich erklärte mich nur zu gern einverstanden.
    Wir machten uns zusammen auf den Weg. Unser Ziel war ein winziges Haus am Rande der Ortschaft. Folbridge ist ein höchst malerisches Dorf. Es liegt an der Mündung des Flusses Fol, mit dem Hauptteil am Ostufer, da das Westufer zu
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