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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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und erklärte, er wolle jetzt schlafen gehen.
    »Habt ihr ihm eine Wärmflasche ins Bett gelegt?«, fragte Mrs Dinsmead, die sich plötzlich auf ihre Hausfrauenpflichten besann.
    »Ja, Mutter, zwei sogar.«
    »Das ist recht«, sagte Dinsmead. »Geht mit ihm hinauf, Mädchen, und kümmert euch um ihn, falls er noch einen Wunsch hat.«
    Die Kerze in die Höhe haltend, stieg Magdalen vor Cleveland die Treppe hinauf. Charlotte ging hinter ihm. Das Zimmer war freundlich, klein und hatte eine schräge Wand, das Bett sah bequem aus. Die ziemlich staubigen Möbel waren aus altem Mahagoni. In der Waschschüssel stand ein Krug mit heißem Wasser, und über einem Stuhl lag ein rosafarbener Pyjama von üppigen Ausmaßen. Das Bett war gemacht und die Decke zurückgeschlagen.
    Magdalen ging zum Fenster und prüfte, ob es ordentlich geschlossen war. Charlotte überzeugte sich mit einem letzten Blick, dass auf dem Waschtisch nichts fehlte. Dann blieben beide ein wenig unsicher an der Tür stehen.
    »Gute Nacht, Mr Cleveland. Haben Sie auch wirklich alles?«
    »Ja, besten Dank, Miss Magdalen. Es ist mir ein bisschen peinlich, weil ich Ihnen beiden so viel Mühe mache. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Sie gingen hinaus und schlossen die Tür hinter sich. Cleveland war allein. Langsam und nachdenklich zog er sich aus. Nachdem er sich in Mr Dinsmeads rosafarbenen Schlafanzug gehüllt hatte, sammelte er seine nassen Sachen ein und legte sie vor die Tür. Sein Gastgeber hatte ihn darum gebeten. Aus dem Erdgeschoss hörte er noch immer das Dröhnen von Dinsmeads Stimme.
    Was für ein Schwätzer dieser Mann doch war! Alles in allem ein merkwürdiger Mensch – aber eigentlich hatte die ganze Familie etwas Merkwürdiges an sich. Oder bildete er sich das nur ein?
    Langsam kehrte er in sein Zimmer zurück und schloss die Tür. In Gedanken versunken, blieb er neben dem Bett stehen. Und dann zuckte er zusammen…
    Der Mahagonitisch neben dem Bett war mit Staub bedeckt, und jemand hatte deutlich sichtbar drei Buchstaben in den Staub geschrieben: SOS.
    Er starrte die drei Buchstaben an, als traue er seinen Augen nicht. Sie waren eine Bestätigung seiner unklaren Vermutungen und Ahnungen. Er hatte also Recht. Irgendetwas stimmte nicht in diesem Haus.
    SOS. Ein Hilferuf. Doch wer hatte ihn in den Staub geschrieben? War es Magdalen oder Charlotte gewesen? Sie hatten, wie er sich erinnerte, beide kurz vor dem Tisch gestanden. Wer hatte heimlich diese drei Buchstaben in den Staub gemalt?
    Er sah die beiden Mädchen wieder vor sich. Magdalens Gesicht, dunkel und unnahbar, und Charlottes Gesicht, wie er es das erste Mal gesehen hatte: großäugig, etwas Unergründliches im Blick…
    Wieder ging er zur Tür und öffnete sie. Mr Dinsmeads dröhnende Stimme war nicht mehr zu hören. Es war still im Haus.
    Heute kann ich nichts mehr tun, dachte Cleveland. Morgen – nun ja, wir werden sehen…
     
    Cleveland erwachte früh. Er ging hinunter ins Wohnzimmer und dann in den Garten. Nach dem Regen war der Morgen frisch und klar. Außer ihm war noch jemand so früh aufgestanden. Charlotte lehnte am Ende des Gartens am Zaun und blickte auf die hügelige Landschaft der Downs. Clevelands Puls begann zu hämmern, während er auf sie zuging. Von Anfang an war er insgeheim davon überzeugt gewesen, dass die Botschaft von Charlotte stammte. Als er auf sie zu trat, wandte sie sich um und wünschte ihm einen guten Morgen. Ihr Blick war offen und kindlich und verriet keine Spur eines heimlichen Einverständnisses.
    »Einen schönen guten Morgen«, erwiderte Cleveland lächelnd. »Was für ein Unterschied zu gestern Abend!«
    »Wie Recht Sie haben.«
    Cleveland brach von einem in der Nähe stehenden Baum einen Zweig ab und begann, als habe er nichts Besseres zu tun, etwas in den glatten Sand zu seinen Füßen zu malen. Er schrieb ein S, dann ein O und wieder ein S und beobachtete Charlotte dabei genau. Doch wieder entdeckte er keinen Funken Verständnis bei ihr.
    »Wissen Sie, was diese Buchstaben bedeuten?«, fragte er übergangslos.
    Charlotte zog leicht die Stirn kraus. »Ist das nicht das Signal, das Schiffe – Dampfer funken, wenn sie in Seenot geraten sind?«
    Cleveland nickte. »Jemand hat es gestern Abend auf den Tisch neben meinem Bett geschrieben«, sagte er ruhig. »Ich dachte, dass Sie es vielleicht gewesen sind.«
    Sie sah ihn mit großäugigem Erstaunen an. »Ich? O nein!«
    Dann hatte er sich also geirrt. Er fühlte die Enttäuschung wie einen scharfen Stich.
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