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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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Schrei – ein Schrei, wie Raoul ihn vorher niemals gehört hatte. Er erstarb in einem entsetzlichen Röcheln. Dann hörte man den dumpfen Aufschlag eines Körpers…
    Raoul arbeitete wie ein Wahnsinniger, um sich von seinen Fesseln zu befreien. In seiner Todesangst vollbrachte er das Unmögliche: er zerriss die Schnur. Als er auf die Füße sprang, stürzte Elise herein. »Madame!«
    »Simone!«, schrie Raoul.
    Zusammen stürzten sie zum Vorhang und rissen ihn zur Seite.
    »Mein Gott«, keuchte er. »Rot – alles rot…«
    Elises Stimme hinter ihm klang böse und zitternd.
    »Madame ist tot. Es ist zu Ende. Aber sagen Sie doch, Monsieur, was ist geschehen? Warum ist Madame so zusammengeschrumpft – warum ist sie nur halb so groß? Was ist hier vorgefallen?«
    »Ich weiß es nicht«, stöhnte Raoul.
    Seine Stimme wurde zu einem Kreischen.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Aber ich glaube – ich werde wahnsinnig… Simone! Simone!«

SOS
     
    » A h!« sagte Mr Dinsmead beifällig.
    Er trat ein paar Schritte zurück und betrachtete prüfend den runden Tisch. Das grobe weiße Tischtuch, Messer, Gabeln und das Geschirr schimmerten im Feuerschein.
    »Ist – ist alles fertig?«, fragte Mrs Dinsmead zögernd.
    Sie war eine kleine, verblühte Frau mit farblosem Gesicht und schütterem, straff aus der Stirn gekämmtem Haar. Sie war ständig nervös.
    »Alles ist fertig«, sagte ihr Mann mit einer Art grimmiger Freundlichkeit.
    Er war groß, hielt den Rücken gebeugt und hatte ein breites rotes Gesicht. Seine Schweinsäuglein schauten blinzelnd unter buschigen Brauen hervor, und sein großer Schädel war völlig kahl.
    »Limonade?«, fragte Mrs Dinsmead beinahe flüsternd.
    Ihr Mann schüttelte den Kopf.
    »Tee. Das ist in jeder Beziehung besser. Schau dir doch das Wetter an, es regnet in Strömen, der Wind heult. An einem solchen Abend braucht man eine Tasse guten, heißen Tee zum Essen.«
    Er zwinkerte scherzhaft und betrachtete wieder den Tisch.
    »Ich möchte ein paar Eier, kaltes Cornedbeef, Brot und Käse zum Abendessen. Los, Mutter, sieh zu, dass es fertig wird! Charlotte wartet schon in der Küche und wird dir helfen.«
    Mrs Dinsmead stand auf, wobei sie sorgfältig die Wolle ihres Strickzeugs aufrollte. »Sie ist zu einem sehr hübschen Mädchen herangewachsen«, sagte sie leise. »Zu einer lieblichen Schönheit würde ich sagen.«
    »Ah!«, rief Mr Dinsmead. »Sie ist das Ebenbild ihrer Mutter. Und jetzt beeil dich, wir wollen keine Zeit mehr verlieren.«
    Er ging eine Weile im Zimmer hin und her und summte vor sich hin. Einmal trat er ans Fenster und schaute hinaus. »Ein schlimmes Wetter«, sagte er zu sich selbst. »Es ist unwahrscheinlich, dass sich heute Abend ein Besucher zu uns verirrt.«
    Dann verließ er den Raum.
    Etwa zehn Minuten später kam Mrs Dinsmead wieder herein. Sie trug eine Platte mit Spiegeleiern. Hinter ihr gingen ihre beiden Töchter mit dem übrigen Essen. Mr Dinsmead und sein Sohn Johnnie bildeten den Schluss. Mr Dinsmead setzte sich auf den Platz des Hausherrn.
    »Und segne, was du uns bescheret hast, und so weiter«, sagte er humorvoll. »Gesegnet sei auch der Mann, der die Konserve erfunden hat. Ich möchte wissen, was wir in unserer Einöde ohne Konserven anfangen würden, wenn der Fleischer wieder mal vergisst, auf seiner Wochenrunde bei uns hereinzuschauen.«
    Geschickt schnitt er das Cornedbeef in Scheiben.
    »Ich frage mich nur, wem es wohl eingefallen sein mag, ein Haus wie dieses zu bauen, meilenweit von jeder anderen menschlichen Behausung entfernt«, sagte seine Tochter Magdalen verdrießlich. »Wir kriegen nie eine Menschenseele zu sehen.«
    »Ja«, sagte ihr Vater, »nie eine einzige Menschenseele.«
    »Ich kann nicht begreifen, warum du’s gekauft hast, Vater«, sagte Charlotte.
    »Wirklich nicht, mein Mädchen? Nun, ich hatte meine Gründe – ich hatte meine Gründe!« Er warf seiner Frau einen verstohlenen Blick zu, doch sie runzelte nur die Stirn.
    »Außerdem spukt es hier«, sagte Charlotte. »Um keinen Preis der Welt würde ich allein in diesem Haus schlafen.«
    »So ein Unsinn!«, antwortete ihr Vater. »Du hast noch nie etwas gesehen, oder? Gib es zu!«
    »Gesehen vielleicht nicht, aber…«
    »Aber was?«
    Charlotte antwortete nicht, aber sie schauderte leicht. Eine heftige Bö peitschte den Regen gegen die Fensterscheiben, und Mrs Dinsmead ließ einen Löffel auf das Tablett fallen, dass es klirrte.
    »Du bist doch nicht etwa nervös, Mutter?«,
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