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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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es wäre schon vergessen und vorbei.«
    Die Türglocke schrillte laut.
    »Da ist sie, dieser Gendarm«, fuhr die alte Zofe fort. »Warum geht sie nicht in die Kirche und betet, wie es sich gehört, für die Seele ihrer Kleinen?«
    »Gehen Sie und öffnen Sie!«, befahl Raoul.
    Sie warf ihm einen unfreundlichen Blick zu, aber sie gehorchte. Nach wenigen Augenblicken führte sie die Besucherin herein.
    »Ich werde Bescheid sagen, dass Sie hier sind, Madame.«
    Raoul ging auf Madame Exe zu, um sie zu begrüßen. Simones Worte kamen ihm wieder ins Gedächtnis: ›So groß und so schwarz.‹
    Sie war wirklich eine große, mächtige Frau, und das tiefe Schwarz ihrer Trauerkleidung wirkte bei ihr fast übertrieben. Ihre Stimme klang sehr tief, als sie sprach.
    »Ich fürchte, ich habe mich etwas verspätet, Monsieur.«
    »Die paar Minuten…, das macht doch nichts«, entgegnete Raoul lächelnd. »Madame Simone hat sich noch etwas hingelegt. Ich muss leider sagen, dass sie sich alles andere als wohl fühlt. Sie ist nervös und völlig erschöpft.«
    Ihre Hand, die die seine gerade loslassen wollte, hielt ihn plötzlich fest wie ein Schraubstock.
    »Aber sie wird doch die Séance abhalten?«, fragte sie scharf.
    »Natürlich, Madame.«
    Madame Exe atmete erleichtert auf und sank auf einen Stuhl, wobei sie den schwarzen wallenden Schleier nach hinten warf.
    »Ach, Monsieur«, murmelte sie, »Sie können sich gar nicht vorstellen, Sie können das Wunder und die Freude nicht mitempfinden, die ich während dieser Séancen erlebe! Meine Kleine! Meine kleine Amelie! Sie zu hören, sie zu sehen, vielleicht sogar – ja vielleicht sogar – den Arm auszustrecken und sie zu berühren.«
    Raoul sprach schnell und bestimmt.
    »Madame Exe…, wie soll ich Ihnen das erklären? Auf gar keinen Fall dürfen Sie so etwas tun. Sie müssen sich strikt an meine Anweisungen halten, andernfalls besteht die allergrößte Gefahr.«
    »Gefahr für mich?«
    »Nein, Madame«, sagte Raoul, »nicht für Sie, aber für das Medium.«
    Madame Exe schien wenig beeindruckt.
    »Sehr interessant, Monsieur. Sagen Sie, könnte nicht einmal die Zeit kommen, wo die Materialisierung so weit fortschreitet, dass sie fähig ist, sich von ihrem Ursprung, dem Medium, zu lösen?«
    »Ist das Ihre fantastische Hoffnung, Madame?«
    Sie fragte beharrlich weiter:
    »Aber ist das denn so unmöglich?«
    »Ganz unmöglich, heute noch!«
    »Aber vielleicht in der Zukunft?«
    Er wurde der Antwort enthoben, denn in diesem Moment trat Simone ein. Sie sah erschöpft und bleich aus, aber sie hatte ihre Selbstbeherrschung offensichtlich wiedergewonnen. Sie ging auf Madame Exe zu und reichte ihr die Hand. Raoul bemerkte das Zittern, das sie dabei überlief.
    »Es tut mir Leid, dass Sie sich nicht wohl fühlen, Madame«, sagte Madame Exe.
    »Ach, es ist nichts«, erwiderte Simone fast barsch. »Wollen wir anfangen?«
    Sie ging zu dem Alkoven und setzte sich in den Sessel. Plötzlich verspürte Raoul, wie eine Welle der Angst ihn überflutete. »Du bist nicht auf der Höhe deiner Kräfte«, sagte er. »Wir sollten diese Séance besser auf später verschieben. Madame Exe wird sicher dafür Verständnis haben.«
    »Monsieur!« Madame Exe erhob sich empört. »Madame Simone versprach mir eine letzte Sitzung.«
    »So ist es«, sagte Simone ruhig. »Und ich bin bereit, mein Versprechen zu halten.«
    »Das verlange ich auch«, sagte die andere Frau.
    »Ich breche mein Wort nicht«, sagte Simone kalt. »Hab keine Angst, Raoul«, fügte sie freundlich hinzu. »Es ist ja das letzte Mal – das allerletzte Mal, Gott sei Dank.«
    Auf ein Zeichen von ihr zog Raoul den schweren schwarzen Vorhang vor den Alkoven. Er zog auch die Vorhänge vor das Fenster, sodass der Raum im Halbdunkel lag. Er wies auf einen der Stühle, auf dem Madame Exe Platz nehmen sollte, und wollte selbst gerade auf dem anderen Platz nehmen. Aber Madame Exe zögerte.
    »Bitte, entschuldigen Sie, Monsieur, aber – Sie müssen verstehen, ich glaube an Ihre absolute Ehrlichkeit und auch an die von Madame Simone. Trotz allem, damit meine Zeugenaussage mehr Bedeutung hat, habe ich mir erlaubt dies hier mitzubringen.«
    Aus ihrer Handtasche zog sie eine lange dünne Schnur.
    »Madame!«, rief Raoul. »Das ist eine Beleidigung!«
    »Eine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Ich wiederhole: eine Beleidigung.«
    »Ich verstehe Ihren Einwand nicht, Monsieur«, sagte Madame Exe kalt. »Wenn das alles kein Betrug ist, haben Sie doch nichts zu
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