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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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habe?«
    »So heiße ich«, erwiderte Cleveland lächelnd.
    »Ah! Ja. Also herein mit Ihnen, Mr Cleveland! Bei einem solchen Wetter jagt man keinen Hund auf die Straße, nicht wahr? Kommen Sie ans Feuer. Mach die Tür zu, Johnnie! Steh nicht die halbe Nacht dort herum.«
    Cleveland trat näher und setzte sich auf einen hölzernen Hocker neben dem Kamin. Johnnie machte die Tür zu.
    »Dinsmead ist mein Name«, sagte der Hausherr. Er war jetzt sehr freundlich. »Das ist meine Frau, und die beiden Mädchen sind meine Töchter, Charlotte und Magdalen.«
    Zum ersten Mal sah Cleveland das Gesicht des Mädchens, das ihm den Rücken zugekehrt hatte. Sie war, obwohl ihre Schönheit von ganz anderer Art war, genauso reizvoll wie ihre Schwester. Sehr dunkel, mit einem Gesicht von marmorner Blässe, einer zarten, leicht gebogenen Nase und einem ernsten Mund. Es war eine erstarrte, strenge und beinahe beängstigende Schönheit. Nachdem ihr Vater sie dem Gast vorgestellt hatte, neigte sie den Kopf und sah ihn mit einem forschenden Blick an. Es war, als schätze sie ihn ab, messe ihn mit dem Maß ihres jungen Verstandes.
    »Möchten Sie einen Schluck trinken, Mr Cleveland?«
    »Besten Dank«, antwortete Mortimer. »Eine Tasse Tee genügt mir völlig.«
    Mr Dinsmead zögerte eine Weile, nahm dann die fünf Tassen, eine nach der anderen, und goss sie in einen leeren Krug.
    »Der Tee ist kalt«, sagte er schroff. »Mach uns frischen, ja, Mutter?«
    Mrs Dinsmead erhob sich rasch und hastete mit der Teekanne hinaus. Cleveland hatte den Eindruck, dass sie froh war, das Zimmer verlassen zu können. Der frische Tee war bald fertig, und dem unerwarteten Gast wurde außerdem ein komplettes Abendessen aufgedrängt.
    Der Hausherr redete und redete. Er war überschwänglich, leutselig, geschwätzig. Er erzählte dem Fremden alles über sich. Er hatte sich kürzlich aus dem Baugewerbe zurückgezogen – ja, er hatte recht anständig verdient. Er und seine Frau hätten gemeint, ein bisschen Landluft könne nicht schaden. Sie hatten bisher noch nie auf dem Land gelebt. Es war natürlich nicht die richtige Jahreszeit, die sie sich ausgesucht hatten, jetzt im Oktober, November, aber sie hatten nicht warten wollen. »Das Leben ist eine recht unsichere Sache, nicht wahr, Sir?« Und sie hatten dieses kleine Haus gekauft. Acht Meilen vom nächsten Nachbarn und neunzehn Meilen von der nächsten Ortschaft entfernt, die man mit einiger Berechtigung eine Stadt nennen konnte. Nein, sie beklagten sich nicht. Die Mädchen fanden es ein bisschen öde, aber er und seine Frau genossen die Ruhe.
    Er redete und redete und hypnotisierte Cleveland fast mit seiner leicht dahinplätschernden Wortflut. Ganz gewiss war nichts Ungewöhnliches hier zu finden, nur ziemlich alltägliche Häuslichkeit. Und doch hatte Cleveland bei seinem ersten Blick ins Innere dieses Hauses etwas anderes gespürt, eine nervöse Spannung, die von einem dieser vier Menschen ausging – er wusste nicht, von welchem. Doch das war purer Unsinn! Seine Nerven spielten verrückt. Sein plötzliches Auftauchen hatte sie erschreckt, mehr steckte nicht dahinter.
    Er fragte zurückhaltend, ob er vielleicht im Haus übernachten könne, und man forderte ihn bereitwillig zum Bleiben auf.
    »Sie müssen mit uns vorlieb nehmen, Mr Cleveland, Sie finden meilenweit kein anderes Haus. Wir haben ein Zimmer für Sie, und obwohl mein Pyjama Ihnen vielleicht ein bisschen zu weit sein wird, ist er besser als nichts, und Ihre Sachen können bis zum Morgen trocknen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
    »Nicht der Rede wert«, entgegnete der Hausherr herzlich. »Wie ich vorhin schon sagte, würde man in einer solchen Nacht keinen Hund auf die Straße jagen. Magdalen, Charlotte, geht hinauf und bringt das Zimmerin Ordnung.«
    Die beiden Mädchen verließen den Raum. Kurz darauf hörte Cleveland sie oben hin und her gehen.
    »Ich verstehe sehr gut, dass zwei so anziehende junge Mädchen wie Ihre Töchter es hier öde und langweilig finden«, sagte er.
    »Sind beide bildhübsch, wie?«, sagte Mr Dinsmead mit väterlichem Stolz. »Nicht wie ihre Mutter und ich. Wir sind einfache Leute, aber wir hängen sehr aneinander, das kann ich Ihnen sagen, Mr Cleveland. Eh, Maggie, ist es nicht so?«
    Mrs Dinsmead lächelte steif. Sie hatte wieder angefangen zu stricken. Ihre Nadeln klapperten geschäftig. Sie strickte sehr schnell.
    Bald darauf meldeten die Mädchen, das Zimmer sei bereit. Cleveland bedankte sich noch einmal
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