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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Autoren: Eva Maaser
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zumindest für das, was Bertho darunter verstand, fühlte sich Felix zu alt. Zu seinem Leidwesen war er trotz der dreieinhalb Jahre Altersunterschied kaum eine Handbreit größer als der kleine König. In den letzten zwei Jahren war das Längenwachstum fast zum Erliegen gekommen, und die Versicherung seiner Mutter, dass es schon noch wieder einsetzen werde, tröstete ihn kaum.
    Bertho war ein Quälgeist. Seufzend ging Felix auf die Knie. Je eher er das unwürdige Schauspiel hinter sich brachte, desto früher konnte er eine Freizeit erbitten, die er im Stall zu verbringen gedachte. Er faltete die Hände, und sofort legte Bertho seine schwitzigen kleinen Hände darum.
    „Ich bin gesalbt, weißt du“, flüsterte er. „Ein König hat seine Macht von Gott selbst, er bringt den Menschen Heil und Wohlergehen. Von ihm hängt das Gedeihen des ganzen Landes ab.“
    Erst am Tag zuvor hatte sich der gesalbte König die Hosen vollgepinkelt, weil er den Abort nicht rasch genug erreicht hatte. Alle hatten die dunklen Flecken auf seiner Tunika gesehen, aber nur eine junge Magd hatte gelacht und Bertho damit in Rage gebracht. Es hieß, er mache manchmal auch nachts ins Bett. Von seiner Mutter wusste Felix, dass Bertho beinahe mit seinem Vater, König Sigibert, ermordet worden wäre. Erst seitdem war er ein Bettnässer und geriet manchmal in eine furchtbare Wut. Ansonsten war es ja mit ihm auszuhalten - solange man ihm seinen Willen ließ.
    Ergeben sprach Felix die Eidformel nach, die er im Schlaf herunterbeten konnte. Bertho brauchte sie ihm nicht mehr vorzusagen, tat das aber mit großem Genuss. Zum Schluss schlug ihm Bertho mit einem Holzschwert hart auf die Schulter, zog ihn auf die Füße und drückte ihn heftig an sich. Felix atmete auf, als er sich freimachen konnte, und schielte zu seiner Mutter hinüber. Würde sie ihn endlich gehen lassen?
    „Kann ich jetzt in den Stall?“, fragte er forsch.
    „Nein“, sagte Bertho, „jetzt ist der Leudeseid dran.“
    „Das geht nicht“, zischte Felix aufgebracht. „Du kannst mich nicht erst zum anstrustio machen und dann zu einem einfachen Gefolgsmann. Das macht keinen Sinn, das ist wie eine Degradierung, und die lass ich mir nicht gefallen!“ Die anstrustiones waren die Tischgefährten des Herrschers, seine Vertrauten, die mit ihm zusammen die Königsmacht darstellten, eine handverlesene Schar, die weit über allen anderen am Hof stand.
    „Doch!“
    „Nein!“
    Die Jungen jagten sich durch den Raum. Sie stoben an den Mägden und Edelfrauen vorbei, die neu eingetroffene Wollstoffe in leuchtenden Farben begutachteten, und hielten Abstand von den üblichen Nichtstuern, die versuchten, mit den Frauen zu schäkern. Ein paar kleinere und größere Mädchen scharten sich um die älteste Königstocher, die ihnen aus einem Buch fromme Geschichten vorlas, aber den Mädchen gingen die beiden Knaben erst recht aus dem Weg.
    Es war ein gewöhnlicher Tag in der Residenz von Metz. Das Gebäude, ein alter Kaiserpalast, stammte aus der Römerzeit.  Die Räume wiesen großzügige Dimensionen auf und hier und da war noch etwas von der alten Dekoration vorhanden: Stuckzierleisten, marmorne Brunnenbecken und verblasste Wandmalereien, die aber unter neuen, farbenfrohen Wandteppichen fast verschwanden. Da seit einigen Tagen draußen recht laue Luft herrschte, waren die hölzernen, mit dünn geschabter Tierhaut bespannten Fenstereinsätze entfernt worden, und das Frühlingslicht konnte ungehindert eindringen. Allerdings wurde Brunichild nie das Gefühl einer Bedrohung los und ließ daher, bevor in der Dämmerung die Öllampen entzündet wurden, die schweren wollenen Vorhänge zuziehen. Zwar lagen die Privaträume der königlichen Familie im ersten Stock, aber davor lief ein schmaler Umgang um das Stockwerk herum, der für sie ein stetes Sicherheitsrisiko darstellte – trotz der Wachen, die jeden Treppenaufgang im Auge behielten. Nie verließ sie die Angst, seit ihr Gemahl Sigibert durch zwei von seinem Bruder Chilperich geschickte Attentäter ermordet worden und sie selbst in die Gefangenschaft ihres Schwagers geraten war. Fast zwei Jahre hatte sie in einer Festung in Rouen zugebracht. Erst vor wenigen Wochen war ihr die Flucht gelungen. Und es war eine ihrer ersten Maßnahmen gewesen, den Hof dauerhaft von Reims nach Metz zu verlegen. Der alte sedes regis, der Königssitz Reims, lag zu nahe an Chilperichs Residenzen Soissons und Paris. Metz war vor allem sicherer für Bertho. Hier war er eher vor
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