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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Autoren: Eva Maaser
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Vieh teilten und anscheinend höchst selten ausmisteten, und die ersichtlich rasch zusammengezimmerte Versammlungshalle. Baian schien völlig unempfindlich gegenüber Schmutz und dem Mangel jeglichen Komforts.
    Die Siedlung lag nicht weit vom Ufer der Donau an einem Pass zum Hinterland Pannoniens, einen Zwei-Tagesritt von Passau entfernt.
    Hier begann das Grenzgebiet, wo sich die Awaren seit dem Jahr 568 zunehmend festsetzten.
    Niemand wusste viel über sie, und nach der ersten Verhandlungswoche hatte Wittiges auch nicht den Wunsch, mehr über sie zu erfahren, außer dass sie zweifellos auf neue Eroberungen aus waren. Es war seine Aufgabe, sie so weit vom Kurs abzubringen, dass sie die fränkischen Gebiete oberhalb und unterhalb der Donau verschonten: die südlichen Gebiete Thüringens und jenen Teil Pannoniens, in dem sich die Sueben angesiedelt hatten. Wäre es nach Wittiges gegangen, hätte er den Awaren dieses Land geschenkt. Er hatte genug davon gesehen, um zu wissen, dass die fränkische Herrschaft hier eher eine Idee denn Wirklichkeit war. Die Sueben, ein Haufen mehrerer halbwilder kleiner Völker, hatten auf ihn kaum einen zivilisierteren Eindruck gemacht als die Awaren. 
    Anscheinend waren die Awaren gerade erst dabei, hier und da sesshaft zu werden, vorzugsweise in durch blutige Kriege eroberten Gebieten.
    Wittiges stammte aus Spanien, wo sein Vater ein kleines, aber sehr ertragreiches und gepflegtes Landgut bewirtschaftet hatte. Obwohl nur der zweitgeborene Sohn eines Landadligen, hatte Wittiges eine gründliche Ausbildung erhalten, zu der die Kenntnis der lateinischen und griechischen Sprache und Dichtung gehörte, und natürlich war er den Lesens und Schreibens mächtig.
    Großfürst Baian sicher nicht.
    Der Khagan hatte seine Mahlzeit beendet, spähte über das Feuer zu Wittiges herüber und sagte etwas.
    Kursich, der Übersetzer, hockte an Wittiges linker Seite. Er hatte einige Zeit an Sigiberts Hof zugebracht und die Franken von Metz hierher begleitet. Er war so alt wie Wittiges, das hieß Ende Zwanzig, ein untersetzter, wenig einnehmender Mann mit verschlagenem Blick, der zur weitläufigen Verwandtschaft des Khagans gehörte.
    „Er will wissen, wie viele Söhne du hast“, kam Venantius Kursichs Übersetzung zuvor. Venantius bildete sich eine Menge darauf ein, dass er ein wenig die awarische Sprache beherrschte. Er war ein Gelehrter, an der berühmten Schule von Ravenna in allen Künsten der zivilisierten Welt ausgebildet, außer in Kampfkunst und vornehmer, der Situation angemessener Bescheidenheit. Auf der Suche nach Ruhm, Ehre, Ansehen oder Geld war er vor Jahren von seinem Heimatland Italien aus zu Sigibert gereist, der gerade an der Donau seinen ersten Feldzug gegen die Awaren geführt hatte. Seitdem hielt er sich gern als Gast an dem einen oder anderen fränkischen Königshof auf.
    Der Teufel mochte wissen, wie es ihm gelungen war, während der vielen Kriege der letzten Jahre mit heiler Haut davon zu kommen. Wittiges misstraute ihm von Grund auf, gab sich aber Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Gut möglich, dass Venantius nebenbei für Chilperich spionierte, den König von Westfranken.
    „Warum will er das wissen?“, fragte Wittiges grantig zurück und gab Kursich mit einem raschen Druck auf den Arm zu verstehen, dass er seine Übersetzung nicht brauchte.
    „Weil du hier nur als Mann zählst, wenn du viele Söhne hast“, antwortete Venantius mit einem neugierigen Seitenblick. Offensichtlich war er gespannt, mit welcher Antwort sich Wittiges herausreden würde.
    Ein Sklave schenkte den fränkischen Gäste nach. Es war ein schwerer, überlauter Wein, der mit jedem Schluck mehr im Schädel dröhnte. Wittiges hatte längst die Übersicht über die von ihm geleerten Becher verloren.
    „Ich könnte für dich die Antwort so diplomatisch gestalten, dass sie dir nicht allzu sehr schadet“, bot Venantius ebenso geschmeidig wie boshaft an. Über Wittiges’ Familienverhältnisse wusste er bestens Bescheid.
    „Danke, nicht nötig. Einen Sohn - und eine Tochter“, sagte Wittiges mit fester Stimme und blickte dem Khagan ruhig ins Gesicht. „Sag ihm das.“
    Kursich übersetzte, bevor Venantius es tun konnte. 
    Soweit es sich in den Rauchschwaden erkennen ließ, huschte ein Schimmer von Verachtung über die Miene des Fürsten.
    „Ein Sohn, das ist gar nichts“, polterte er. „Drei meiner Söhne sind im letzten Jahr gefallen. Ich habe noch zwölf, und bis ich sterbe, werden es wieder mehr
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