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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Autoren: Eva Maaser
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in der Feuerstelle ein Zweig mit einem Knall zu einem Funkenregen zerbarst, zuckte die Hand, die das Messer hielt, und der Mann schrie auf. Khagan Baian äugte zu ihm hinunter, schlug sich auf die Schenkel und lachte. Sofort fielen die übrigen Awaren in das Gelächter ein, während dem verletzten Krieger ein Blutstrom über das Kinn quoll.
    Von den Franken lachte keiner. Wittiges hatte den unangenehmen Eindruck, dass sich der Unglückliche die Zunge abgeschnitten hatte.
    Jetzt beugte sich der Mann vor, stieß einen gurgelnden Laut aus, als wollte er in das Gelächter einstimmen, und wischte sich über das Gesicht. Blut tropfte zischend in die Glut.
    „Bemerkenswert, nicht wahr?“, bemerkte Venantius Fortunatus, einer von Wittiges’ Begleitern, im trockenen Ton eines unerschrockenen Forschers, der ein interessantes, völlig fremdes Ritual studiert.
    „Was?“, fragte Wittiges schaudernd.
    „Wie er versucht, Haltung zu bewahren. Also, wenn ich mir die Zunge ...“, holte Venantius nachdenklich aus.
    Wittiges hörte nicht mehr zu. Aus dem Hintergrund näherte sich eine junge Frau und hockte sich neben den Verletzten, ein Tuch in der Hand. Eine hübsche junge Frau mit schmalem Gesicht und fließendem rabenschwarzem Haar, das teilweise in dünne, mit bunten Bändern geschmückte Zöpfe geflochten war. Wittiges beobachtete mit aufflackernder Begier die anmutigen und gleichzeitig gelassen wirkenden Bewegungen, mit denen sie das Blut abtupfte. Schließlich bewog sie den Verletzten, mit ihr den Raum zu verlassen. Nur zu gern hätte Wittiges ihre Stimme gehört, und er verlor sich in der Vorstellung eines angenehm weichen Klangs, der mit jedem Laut schmeichelte und liebkoste.
    Wie lange hatte er keine Frau mehr gehabt?
    Er befand sich mit seiner fränkischen Delegation am Rand der Welt. Die Reise hatte ihn von der königlichen Residenz in Metz eine der alten Römerstraßen folgend, über Strassburg zur Donau und am Fluss entlang bis Passau geführt. Dank der Gnade des Himmels war die Straße fast hundert Jahre nach Abzug der Römer noch einigermaßen instand geblieben.
    In Passau hatte er so lange in einem aus der Römerzeit stammenden Kastell an der Südseite der Stadt Station gemacht, bis die Begegnung mit dem Anführer der gefürchteten Awarenkrieger zu seiner Zufriedenheit vorbereitet worden war. Nur ein Narr hätte keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen, bevor er sein Haupt in den Rachen dieses stinkenden Löwen legte.
    Kastell Boiotro bildete einen der letzten befestigten Vorposten des ostfränkischen Königs, in dessen Auftrag Wittiges die Reise unternahm. Vor mehr als zwei Wochen hatte er das Kastell verlassen, nachdem Khagan Baian eine hochrangige Geisel gestellt hatte, die während des fränkischen Besuchs in Passau ausharren sollte. Diese Abmachung war Wittiges’ Rückversicherung für eine ungehinderte Heimkehr. Es gab da zwar den Nichtangriffspakt, den Baian mit Sigibert, dem Vater des jetzigen ostfränkischen Königs geschlossen hatte, aber die fränkische Regierung misstraute Baians Bereitschaft, den Pakt weiterhin einzuhalten. Seit Sigiberts Tod hatten sich nämlich die Grenzüberfälle im äußersten Osten des fränkischen Herrschaftsbereichs derart gehäuft, dass alles auf einen neuen Eroberungsfeldzug hindeutete. Die Gelegenheit schien für Baian günstig, nachdem die drei fränkischen Teilreiche schon jahrelang Krieg gegeneinander führten.
    Durch die Grenzüberfälle hatten die Awaren sicher herausfinden wollen, wie stark oder schwach Ostfranken oder Austrasien, wie es oft genannt wurde, zur Zeit war. Schließlich war der kleine König erst sieben Jahre alt, und an der Regierungsspitze stand eine Frau: seine Mutter, Königin Brunichild, die zusammen mit dux Gogo, dem ehemaligen Hausmeier Sigiberts, die Regentschaft für Childebert übernommen hatte.
    Wittiges nahm es Brunichild und Gogo übel, dass sie ihm ausgerechnet Venantius Fortunatus als eine Art Berater  - oder besser Aufpasser  - an die Seite gestellt hatten, als wäre er nicht in der Lage, die Verhandlungen ohne diesen windigen Dichter, Schmeichler und Höfling zu führen.
    In Gedanken verglich er das solide, einige Annehmlichkeiten wie fließendes Wasser bietende Kastell von Passau mit der awarischen Wächtersiedlung, in der das Treffen stattfand. Da sie hauptsächlich der Beobachtung der Grenze diente, beschränkte sich die Siedlung auf das Allernotwendigste, das hieß im Wesentlichen grauenhafte Unterkünfte, die die Menschen mit dem
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