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Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord
Autoren: Joseph Wambaugh
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Zunge aus dem Hals.
    Sie war die fünfundvierzigjährige verwitwete Schwester von Schultz. Sie sah Schultz nicht zu ähnlich, Gott sei Dank, aber sie hatte ihr Leben lang doch immer etwas mehr als ihren Anteil am Apfelstrudel und am Wiener Schnitzel gegessen, und sie war doppelt so dick wie Al Mackey. Anfangs hatte er dem riesigen Detective, den sie, aus Milwaukee kommend, besuchte, nur einen Gefallen tun wollen. Schultz wußte nicht, was, zum Teufel, er mit ihr anfangen sollte, nachdem er ihr Disneyland und Knott's-Berry-Farm gezeigt hatte.
    Das Bemerkenswerteste an all dem war, daß Al Mackey eigentlich nur vorhatte, die untersetzte Dame nach Busch Gardens auszuführen (alle Unkosten trug Schultz), und daß sie dann bei riesigen Mengen Bier und eben doch beim Knutschen gelandet waren, was wiederum direkt in Al Mackeys Apartment führte, wo sie ihn mit ihren gutmütigen Küssen und Umarmungen und Schmeicheleien in Kürze so steif wie einen Polizeiknüppel machte. Sie sagte, er sei der bestaussehende Mann, den sie je getroffen habe (nur ihr verstorbener Ehemann ausgenommen). Sie sagte, er sei sexy und witzig und männlich. Und das brachte seinen Hammer hoch. Er bumste Hilda dreimal in dieser Nacht, ohne die pulverisierte Elchschaufel anwenden zu müssen! Er konnte Martys Rückkehr aus den Ferien kaum abwarten, damit er ihm brühwarm erzählen konnte, wie gut die Dinge inzwischen standen.
    Zwei Tage nach seinem zwanzigjährigen Jubiläum als Polizist, als seine Pension für eine ihn überlebende Ehefrau sicher war, und einen Tag, bevor sein Mietvertrag für die Hütte in den Bergen ablief, erhob sich Martin Welborn aus seinem Bett, in dem er bis zum Einbruch der Dämmerung gedöst hatte. Er duschte, rasierte sich und zog sich dann an, als ob er zum Dienst gehen wollte. Er trug seine Kanone, seine Polizeimarke und Handschellen bei sich. Er fuhr seinen Wagen bis zur Serpentine der Bergstraße, die vom See hinunterführte.
    Wolken zogen über ihn hinweg. Der Wind heulte. Als er auf die gefährlichste Kurve der Straße zuraste, die durch eine große dunkle Kiefer auffallend markiert war und hinter der sich ein tausend Fuß tiefer Abgrund bis zum Grund des Canyons auftat, dachte Martin Welborn an die so lange zurückliegenden Zeiten, als ein junger Polizist in der St.-Vibiana-Kathedrale saß und einem gregorianischen Chor lauschte. Es störte ihn nicht, daß die meisten anderen Kirchenbesucher menschliche Wracks aus dem Gangviertel waren, über das die Kathedrale hinausragte, bis in den tödlichen Smog. Der alte Kardinal war damals noch am Leben, einer der letzten seines Schlages.
    Als Martin Welborn das Gaspedal durchtrat, dachte er an jenen Tag in der Kathedrale, an dem er den Ring des Kardinals geküßt hatte.
    Die Bergstraße glitzerte wie Stahl in dem frostigen Mondlicht. Die Haarnadelkurve und die schwarze Leere änderten die Richtung.
    Der Glaube war damals unerschütterlich. Da herrschten Frieden und eine vollkommene Ordnung an diesem Tage in der Kathedrale.
    Der Schatten eines Falken auf dem Mond. Eine schwarze Kiefer zeichnete sich ab gegen die messerscharfe Kante der Finsternis. Die schwarzen Nadeln stürzten ihm entgegen und trafen ihn.
    Wie vollkommen dieser Augenblick in der Kathedrale gewesen war. Der majestätische alte Kardinal trug hübsche karmesinrote Slipper.

 

    19
    Flameout Farrell
    Bis zum Tag der Beerdigung hatte Al Mackey noch nicht geweint. Er hatte auch nicht geweint, als Captain Woofer ihn mitten in der Nacht geweckt hatte, um ihm Martys Autounfall mitzuteilen. Er hatte nicht geweint, als er am nächsten Tag die Personalabteilung anrief und erfuhr, daß Marty am selben Tag, an dem sie den Mordfall Nigel St. Claire geklärt hatten, seine Versicherung auf das Maximum erhöht hatte. Marty hatte seine beiden Töchter als Begünstigte für die Gesamtsumme eingesetzt, die sich bei einem Unfalltod verdoppelte, und jedes Mädchen würde hunderttausend Dollar bekommen.
    Er weinte sogar nicht mal, als er daran dachte, daß Paula Welborn für den Rest ihres Lebens Martys Pension bekommen würde. Die verspätete Entschädigung für sie, obgleich er unter Streß gelitten hatte.
    Aber dann begriff er, daß Marty es so gewollt hatte. Er war nie einer gewesen, der aufhörte etwas zu lieben, das er einmal in sein Herz geschlossen hatte.
    Er weinte nicht, als die Salutschüsse und die schmetternden Klänge des Zapfenstreichs die beiden hübschen Töchter Martys, die am Grab saßen, aus der Fassung brachten,
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