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Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord
Autoren: Joseph Wambaugh
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ein Teil von diesem gräßlichen Zirkus, den ein Polizeibegräbnis im Grunde darstellt.
    Er weinte nicht, als ihm nach der Beerdigung alle die üblichen Platitüden sagten.
    »Er muß am Steuer eingeschlafen sein.«
    »Ja, er muß eingeschlafen sein«, mußte Al Mackey dann antworten.
    »Er hat nicht mehr gemerkt, was passierte, nachdem er von der Straße abkam.«
    »Nein, er hat nicht mehr gemerkt, was passierte«, mußte Al Mackey antworten.
    »Zumindest hat er nicht mehr leiden müssen.«
    »Nein, er hat nicht mehr leiden müssen«, mußte Al Mackey antworten. »Marty hat nicht mehr leiden müssen.«
    Dann allerdings sah Al Mackey doch jemanden am Grab, dessen Anwesenheit eher als alles andere geeignet war, ihn zum Weinen zu bringen. Der Mann sah bleich aus, fast durchsichtig, und seine Haut wirkte schimmernd wie altes Elfenbein. Eine merkwürdige Winzigkeit von einem Mann. Al Mackey erriet sofort, wer er war. Und dann setzte sein Verstand ein. Ihm wurde klar, daß er wahrscheinlich seit jenem letzten Tag, an dem er Marty lebend gesehen hatte, gewußt hatte, wer Nigel St. Claire umgebracht hatte.
    Später öffnete er die Tür des Restaurants, um sich diesen Mann ganz allein vorzunehmen. Der Mann trug seinen einzigen Anzug, den er zur Beerdigung angezogen hatte, um dem Toten seine Ehrerbietung zu erweisen. Al Mackey raste von der Tür auf ihn zu, packte ihn an der Krawatte, zerrte ihn nach hinten in die Küche und drückte ihn über den Ausguß, wobei er einen Stapel Geschirr zu Boden stieß.
    »Tun Sie mir nicht weh«, sagte Flameout Farrell.
    »Sie wagen es, zu seinem Begräbnis zu kommen, Sie Hurensohn!«
    »Bitte. Bitte!« sagte Flameout Farrell.
    Al Mackey begriff, daß es nur einen Menschen gab, der die notwendige Wut besessen haben konnte, nachdem er durch Lorna Dillon von der Snuff-Film-Verschwörung erfahren hatte. Einen Menschen, der verzweifelt genug gewesen war, mit einer Kanone auf dem großen Parkplatz beim Apartment von Griswold Weils zu warten. Aber als der schwarze Bentley vorfuhr, hatte Bozwell alias Lloyd einen Fremden bei sich, und Bozwell alias Lloyd war nicht der Typ, der sich von einem so bemitleidenswerten Revolverhelden einschüchtern ließ. Dann zwei verzweifelte Schüsse. Aber es war der Fremde, der getroffen wurde. Ohne Zweifel ein unglücklicher Zufall.
    » Väter machen sich Sorgen um ihre Kinder«, hatte Marty an jenem Tag gesagt.
    »Da kenn ich mich nicht aus«, hatte Al Mackey geantwortet. »Ich hab nie eigene Kinder gehabt.«
    Aber er hatte sich ausgekannt. Er hatte es nur verdrängt. Er hätte niemals irgendwas beweisen können. Er konnte es auch jetzt nicht beweisen.
    »Bitte, Mister Mackey«, sagte Flameout Farrell.
    »Woher kennen Sie meinen Namen, Sie verdammter Kerl?«
    »Er hat 'n mir genannt. Er sagte mir, daß Sie vielleicht kommen würden.«
    Al Mackey gab dem widerstandslosen Buchmacher eine Ohrfeige. »Sie lügen!«
    »Er hat mir was für Sie gegeben, Mister Mackey«, keuchte Flameout Farrell. »Er hat gesagt, ich soll's Ihnen geben, wenn Sie jemals kämen. Er … er war so … anständig zu mir, als er an dem Tag kam.«
    Das veranlaßte Al Mackey, aufzuhören. Er ließ den Buchmacher los, auf dessen elfenbeinfarbener Haut der Handabdruck des Detectives zurückblieb.
    Flameout Farrell ging vor Al Mackey in die Knie, holte seine zerfetzte Brieftasche aus der Hosentasche und nahm einen gefalteten Zettel heraus, den er dem Detective hinhielt. Dann begann der kleine Buchmacher noch heftiger zu schluchzen, als er in der Nacht, in der er zum ersten Mal seine Tochter Peggy erwähnt hatte, in Anwesenheit des verblüfften Frettchens und des Wiesels geschluchzt hatte.
    »Er … er sagte mir …«, schluchzte der Buchmacher, »daß … es nichts Böses war, diesen Mann zu töten.«
    Es war unverkennbar Martys Handschrift. Und da endlich weinte Al Mackey. Er weinte, als er es las und als er aus dem Restaurant stürzte. Er weinte auf dem ganzen Weg zurück zur Hollywood-Station. Vor lauter Tränen konnte er kaum die Straße im Auge behalten. Auf dem Zettel stand:
    Aloysius, mein Junge:
    Du hast den Fall schon geklärt. Geh nach Hause. Es ist vorbei. Trink mal einen auf mich.
    In Liebe,
    MARTY.

 

    20
    Apple Valley
    Als Al Mackey sich wieder soweit unter Kontrolle hatte, um den Squadroom betreten zu können, waren die anderen von der Beerdigung zurückgekommen. Einige waren schon wieder im Polizeieinsatz. Einige nicht. Schultz saß am Mord-und-Totschlag-Schreibtisch und ließ
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