Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
spärlichen Büscheln fettiger Haare, die an beiden Seiten wie Antennen abstanden, sah Wing eindeutig wie eine Gottesanbeterin aus, wenn er hinter der langen Bar herumhüpfte, die knochigen Arme weit aus der smaragdgrünen Mandarinjacke herausgestreckt. Wing war Amerikaner in dritter Generation, der für die Tagestouristen stets einen chinesischen Akzent und ein unterwürfiges Gehabe vortäuschte. Nichts war echt in diesem Glitter Dome.
    »Doppelt?« Wing zwinkerte, als er einen Dreistöckigen einschenkte.
    Bevor die Nacht vorbei war, würde er dem Polizisten sowieso mehr berechnet als eingetrichtert haben. Es gab nun mal nichts umsonst im Glitter Dome. Das perfekte Abbild der Welt für Al Mackey. Gott sei Dank war Marty Welborn nicht hergekommen. Er war wahrscheinlich nach Hause gegangen und lutschte an seinem Smith & Wesson. Der Glitter Dome war die Art von Kneipe, die man sich als allerletztes wünschte.
    Al Mackey kippte den Schnaps sofort hinunter, und Wing schenkte den nächsten ein. Drei dreistöckige Tullamore Dews, und der Gebieter des Glitter Domes konnte dem Kriminalbeamten unwidersprochen auf zehn herausgeben und den Rest seines Zwanzigers in den geheimnisvollen Kasten aus Affenfell werfen, der neben einer Rechenmaschine stand und die »Tips« aufnahm, die niemals durch die Kasse gingen. Wing nannte die »Tips« einen Tribut an seine ehrenwerten Vorfahren, die einst, in Massen zusammengepfercht, an diese goldene Küste kamen und ihr Glück machten. Der Kasten trug vorn eine amerikanische Flagge und auf der Rückseite chinesische Schriftzeichen. Roh übersetzt hieß die Botschaft: »Uncle Sams Steuern saugen dich aus. Jeder Chinese denkt an sich selbst.«
    Eine andere Sache, die Al Mackey am Glitter Dome haßte, war die Flut der klebrigen Drinks, die sie an der langen Bambusbar ausschenkten: Scorpione, Zombies, Fog Cutters. Man bekam eine schleimige Kehle davon und einen Kater von Weltklasse. Und sie waren teuer.
    »In welcher Abteilung arbeitest du?«
    Sie war verhältnismäßig jung, irgendwas zwischen einem Huhn und einem Geier. Aber warum hatten sie alle so komisch lackierte Fingernägel? Die eine, die von Buckmore Phipps vom Bambus gepflückt worden war, hatte tatsächlich Kratzspuren auf der lackierten Barplatte zurückgelassen.
    »Hollywood Detectives.« Er sagte es zum Tullamore Dew, wobei er sich vorstellte, daß der Flirt in dem Moment vorbei sein würde, in dem großmäulig einer dieser männlichen, gesunden, jungen Autoritätsträger vom Zentralen Streifendienst hereinkäme, voll von Saft, Kraft und Hoffnung, mit dem ganzen Gewicht eines Gehaltsschecks der City von Los Angeles, der die andere Schwellung in seinen Jeans verursachte. Wir sind vielleicht nicht die besten Cops der Welt, Honey, aber wir sind die bestbezahlten!
    Und schon kamen sie herein. Alle gleich aussehend. Polyesterhemden, enge Hosen, die Haare gerade so kurz geschnitten, daß es die Sergeants bei Laune hielt, die unvermeidlichen Koteletten und Schnurrbärte. Warum liebten alle Cops außer Al Mackey und Marty Welborn überlange Koteletten? Mein Gott, das war so uniform, wenn auch nicht ganz so uniform wie die Begrüßung in der Kneipe:
    »Appell!« brüllte ein junger Polizist, als er einen Haufen Kumpel und befreundeter Groupies entdeckte. »Marcus!«
    »Hier!« rief eine Stimme aus der verräucherten Dunkelheit. Der verdammte Raum roch plötzlich nach Weihrauch. In Al Mackeys Schläfen pochte es. Eine pervertierte chinesische Kirche.
    »Cedric!« brüllte der junge Cop, und eine Stimme antwortete: »Anwesend!«
    »Zuckerpuppen!« schrie der Cop, und drei Hühner aus der Ecke gickelten und gackelten. »Hier! Hier hinten!«
    Der Hühner-Geier neben ihm überraschte ihn, weil er nicht locker ließ.
    »Ich bin Telefonistin.«
    »Hätt ich fast vermutet.«
    »Wieso?«
    »So ne nette Stimme«, sagte er. Fetter Hintern, dachte er.
    »Ich heiße Grace«, sagte sie, »ein paar von den Jungs nennen mich Amazing Grace.«
    »Al Mackey«, sagte er, während er ihre feuchtkalte Hand schüttelte. Streß. Spannung. So vertraut alles. Déjà vu – Wie gehabt.
    Er wurde noch depressiver, als die Tür schon wieder aufflog. (Nie kamen sie ohne einen Tusch herein.) Noch drei zweiundzwanzigjährige Vaterfiguren, frisch vom nächtlichen Streifenwageneinsatz, kamen großmäulig durch die Plastikvorhänge und ließen die Reihe der verwaisten Glitter-Dome-Schwalben für einen Moment erstarren.
    Für Al Mackey sahen sie alle aus wie John Travolta.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher