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Der Hochzeitsvertrag

Der Hochzeitsvertrag

Titel: Der Hochzeitsvertrag
Autoren: Lyn Stone
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Die Art und Weise, wie er aus Bournesea verschwunden war, sollte ihm ruhig Gewissensbisse bereiten.
    "Ist jemand da?" rief sie zögernd, nachdem sie die Tür des zweistöckigen Seitenanbaus geöffnet hatte, in dem traditionell alle männlichen Bediensteten des Earl untergebracht waren. Durch offen stehende Türen konnte sie Blicke in einige der vom Gang abgehenden Räume werfen, sah aber nur abgenutzt wirkende Möbelstücke. Dann hörte sie von fern her Stimmen.
    Erleichtert eilte Emily in die Richtung, aus der die Stimmen kamen, an einer weiteren Kammer vorbei, deren Tür ebenfalls offen stand. Sie hielt kurz inne und spähte hinein. Dort, auf einem Bett lag ihr Bruder. Schlafend – und das mitten am Tag!
    Er war nicht einmal richtig angezogen. Seine mageren Arme und Schultern lugten aus dem dünnen, ärmellosen Unterhemd hervor.
    "Joshua?" rief sie leise, um ihn nicht zu erschrecken, und wunderte sich darüber, dass er nach den Monaten auf See so blass war. Als er nicht antwortete, trat sie an sein Bett, legte ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte ihn sacht. "Joshua, mein Schatz? Geht es dir nicht gut?"
    Er öffnete die Augen. Erst schien er überglücklich zu sein, sie zu sehen, dann wich die Freude nackter Angst. "Emily! Bitte geh! Geh sofort!"
    "Unsinn, ich habe dich schon in Unterwäsche gesehen, da warst du noch …"
    Unbemerkt waren zwei Männer in grober Wollkleidung herbeigeeilt, die sie nun wortlos an den Armen packten und sie trotz ihres Protests ohne ein Wort der Erklärung aus dem Gesindehaus und dann über den Hof und durch die Küchenquartiere bis in die große, helle Eingangshalle des Herrenhauses und von dort weiter, Richtung Bibliothek, schleiften.
    Hatten Piraten oder Diebe das Gut in ihre Gewalt gebracht? Zu Tode erschrocken, bat Emily darum, freigelassen zu werden, und trat, als dies nichts nützte, voller Angst um sich.
    Nur um eine Tür zu öffnen, ließ der eine der beiden Männer sie schließlich los, woraufhin der andere sie unsanft und ohne jede Vorwarnung in die Bibliothek der Kendales stieß.
    Emily taumelte über den Parkettboden nach vorn.
    Der hinter einem großen Schreibtisch aus Mahagoni sitzende Mann erhob sich aus seinem gepolsterten Lehnstuhl. Zunächst erkannte sie ihn nicht. Er sah sehr viel älter aus, als sie ihn in Erinnerung hatte, und er kam ihr auch viel größer vor. Er schien sehr aufgebracht über ihre Anwesenheit zu sein.
    Aus seinen blauen Augen, mit denen er sie vor sieben Jahren stets liebevoll betrachtet hatte, warf er ihr jetzt einen kalten Blick zu. Die sinnlichen Lippen, die er einst mit viel Gefühl auf die ihren gedrückt hatte, waren missbilligend zusammengekniffen. Er wirkte fast bedrohlich, wie er so dastand und ärgerlich die Augenbrauen zusammenzog.
    "Nicholas?" fragte sie fassungslos, unfähig, die große Veränderung, die er durchgemacht hatte, sofort zu verarbeiten.
    "Was, in Gottes Namen, hast du hier zu suchen?" verlangte er zu wissen. Seine Miene verhieß nichts Gutes. "Wer hat sie hereingelassen?"
    Einer seiner Untergebenen räusperte sich. "Niemand, Mylord. Sie muss sich irgendwo hereingeschlichen haben. Wir haben sie im Zimmer des kleinen Joshua gefunden."
    Nicholas verzog das Gesicht und massierte seine Schläfen. "Verdammt!"
    "Das sollen Sie sein", erwiderte Emily spitz, empört über den unfreundlichen Empfang. "Ich hatte nicht vor, Sie mit meiner Gegenwart zu belästigen, Mylord. Ich wollte lediglich meinen Bruder nach Hause bringen. Wenn Sie mich also entschuldigen würden …"
    "Unmöglich", sagte er mürrisch.
    "Papperlapapp!" erwiderte sie und drehte sich mit wippenden Röcken um.
    "Geben Sie den Weg frei!" befahl sie den beiden Männern an der Tür. Um ihrer neuen Stellung gewachsen zu sein, hatte sie in den letzten Wochen einen Tonfall einstudiert, der Kindern gegenüber bemerkenswert wirkungsvoll war. Nur leider schien er auf Erwachsene keinen Eindruck zu machen: Die Männer rührten sich jedenfalls nicht von der Stelle.
    Lord Kendale kam hinter dem großen Schreibtisch hervor und näherte sich ihr. "Emily, wir müssen uns wohl unterhalten. Würdest du dich bitte setzen? Wrecker, schenk uns beiden einen Brandy ein", fügte er hinzu.
    Sie wandte sich ihm wieder zu. "Mylord, Sie wissen so gut wie ich, dass ich nichts Alkoholisches trinke. Sagen Sie, was Sie zu sagen haben, und gestatten Sie mir danach bitte, Joshua mit nach Hause zu nehmen. Er sieht krank aus." Emily hoffte, er würde nicht merken, wie aufgewühlt sie innerlich
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