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Der Hochzeitsvertrag

Der Hochzeitsvertrag

Titel: Der Hochzeitsvertrag
Autoren: Lyn Stone
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vorgenommen, die treulose, wankelmütige Pfarrerstochter zu vergessen.
    Sein Vater hatte gelogen. Im Nachhinein überraschte Nicholas das kaum. Allerdings begriff er immer noch nicht, warum Emily nie etwas unternommen hatte, um den Irrtum aufzuklären. Seinen Brief, in dem er ihr für ihre Ehe mit Jeremy Oldfield alles Gute wünschte, hatte sie nicht beantwortet. Er hatte angenommen, Emily wollte ihm damit klarmachen, dass ihr wenig an einer Fortsetzung ihrer Bekanntschaft lag und sie völlig in ihren Pflichten als Ehefrau des Postmeisters aufging.
    Vage hatte Nicholas sich entsinnen können, dass Oldfield ein selbstgerechter Langweiler und despotisch war. Da derartige Charakterzüge sich mit jedem Lebensjahr stärker ausprägten, hatte Nicholas sich ein wenig um Emilys Wohlergehen gesorgt. Dass sie sich mitunter mit ihrem Eigensinn selbst das Leben schwer machte, hatte man bei ihr schon als Kind feststellen können. Daher war er erleichtert gewesen, als er erfuhr, dass sie nicht mit Oldfield verheiratet war.
    Jetzt war er irritiert: Emily hatte gerade erklärt, er habe mit seinem Kuss ihre Heiratsaussichten zunichte gemacht. Das war ihm bislang nie in den Sinn gekommen.
    Hatte sie übertrieben, weil sie noch immer wütend darüber war, dass er sie allein zurückgelassen hatte? Emily hatte die Wahrheit immer gern ein bisschen ausgeschmückt und tat das mit zunehmendem Alter vielleicht mehr denn je. Nachdenklich wiegte Nicholas den Kopf.
    Insgeheim fragte er sich, wie lange seine Träume von Emily schon aufgehört hatten, der Realität gerecht zu werden. Ihr Aussehen hatte sich so sehr verändert, dass er nicht wusste, wie er das Bild der schönen jungen Frau mit dem Bild des ein wenig fülligen, aber hübschen Mädchens in Einklang bringen sollte, das ihm all die Jahre vor Augen gestanden hatte.
    Zweifellos hatten Emilys Mittelscheitel und die weißen Rüschen ihrer Capote ihre ebenmäßige Stirn und ihr herzförmiges Gesicht gut zur Geltung gebracht. Ohne die kindlichen Rundungen ihrer Wangen wirkten ihre Züge jedoch noch viel feiner als früher, ihre blauen Augen noch größer. Auch ihre Figur hatte sich verändert, was natürlich zu erwarten gewesen war. Ja, Emily war erwachsen geworden. Zunächst war er wegen der Veränderungen eher erstaunt gewesen, dann aber äußerst angetan von dem, was er sah.
    Fasziniert hatte er ihren hübschen Mund, die vollen, fein geschwungenen rosa Lippen angeblickt. Und fast hätte er seinem ersten Impuls nachgegeben und Emily geküsst – sie so geküsst, wie er das auch das eine Mal getan hatte. Doch er hatte sich beherrscht. Ihm war klar, dass sie seinen Gunstbeweis heute nicht mehr entzückt erwidern würde wie damals auf der Dorfweide.
    Emily hatte ihn zwar während ihrer Unterhaltung ebenso offen angesehen wie früher, aber das völlige Vertrauen, die Bewunderung, die einst in ihren Blicken gelegen hatten, waren verschwunden. Und das schmerzte ihn mehr, als er vorher für möglich gehalten hätte.
    Er fühlte sich schuldig. Wenn das, was Emily gesagt hatte, wahr war, hatte er ihr Leben ruiniert. Wäre er doch als junger Mann nur vernünftiger, weniger gedankenlos und impulsiv gewesen! Aber mit zweiundzwanzig Jahren war er sich nicht darüber im Klaren gewesen, welche Auswirkungen seine Tändeleien auf ihre Zukunft haben würden.
    Anscheinend hatte kein anderer Mann in der Grafschaft gewagt, für sich haben zu wollen, was der Sohn des Earl öffentlich für sich beansprucht hatte. Ja, mit seinem Kuss hatte er Emily für immer sein Siegel aufgedrückt.
    Und am Tag danach war Nicholas auf Geheiß des alten Earl trotz Gegenwehr auf ein Schiff nach Indien gebracht worden. Dort sollte er das Fernhandelsgeschäft in einem Unternehmen, an dem sein Vater beteiligt war, kennen lernen. Dass sein Sohn damit einen nicht standesgemäßen Beruf ausüben und Kaufmann werden würde, erschien dem Earl of Kendale offenbar als das kleinere Übel als eine Schwiegertochter, die nicht ihrer Gesellschaftsschicht angehörte.
    Noch immer konnte Nicholas sich an den genauen Wortlaut der Warnung erinnern, die sein Vater ausgesprochen hatte. Eine Stunde, bevor sein Sohn England verließ, erklärte ihm der alte Mann: "Wenn du zurückkommst und dich weiter um diese kleine Abenteurerin bemühst, werde ich ihre Familie vernichten. Loveyne wird sich mit seinen Rangen in der Gosse wieder finden, ohne Geld und ohne jede beruflichen Aussichten." Und der Earl hatte noch ergänzt: "Sie ist ja ein ganz hübsches
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