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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann
Autoren: Daniel Silva
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schlugen in vielen Büchern nach, recherchierten im Internet und suchten den Rat von Leuten, die mehr von Kunst verstanden als sie selbst – womit sie repräsentativ waren für drei Viertel der Einwohner von West Cornwall. Anfang April nahm Dottie Cox aus dem Dorfladen ihren ganzen Mut zusammen und befragte einfach die schöne junge Italienerin, als diese bei ihr einkaufte. Die Frau wich der Frage mehrdeutig lächelnd aus. Dann schlenderte sie mit ihrer umgehängten Strohtasche zu dem Häuschen auf der Klippe zurück, während ein frischer Frühlingswind ihr dichtes dunkles Haar zerzauste. Schon wenige Minuten nach ihrer Rückkehr verstummte das Operngejaule, und die Jalousien auf der dem Küstenweg zugekehrten Hausseite schlossen sich wie Augenlider.
    Auch in der folgenden Woche blieben sie geschlossen, bis der Restaurator und seine schöne Frau ohne Vorwarnung verschwanden. Einige Tage lang fürchteten die Einwohner von Gunwalloe, die beiden seien endgültig fort, und einige machten sich sogar Vorwürfe, weil sie herumgeschnüffelt und sich zu sehr für das Privatleben des Paars interessiert hatten. Dann stieß Dottie Cox, als sie eines Morgens die eben eingetroffene Times durchblätterte, zufällig auf einen Bericht aus Washington, D.C., über die Enthüllung eines lange verschollen gewesenen Rembrandtgemäldes – eines Porträts, das dem Gemälde, das in Mr.   Rossis Cottage gewesen war, täuschend ähnlich sah. Und damit war das Rätsel gelöst.
    Wie es der Zufall wollte, stand in dieser Ausgabe der Times auf der Titelseite auch ein Bericht über eine Serie von mysteriösen Explosionen in vier geheimen irakischen Nuklearanlagen. Niemand in Gunwalloe wäre auf die Idee gekommen, zwischen beiden Meldungen könnte es einen Zusammenhang geben. Wenigstens damals noch nicht.
    Der Restaurator war ein anderer Mann, als er aus Amerika zurückkam. Das konnte jeder sehen. Obwohl er bei persönlichen Begegnungen zurückhaltend blieb – und er war weiterhin niemand, den man in der Dunkelheit hätte erschrecken wollen –, war ihm offenbar eine große Last von den Schultern genommen worden. Auf seinem kantigen Gesicht erschien gelegentlich sogar ein Lächeln, und das Leuchten seiner unnatürlich grünen Augen wirkte etwas weniger distanziert. Sogar seine langen täglichen Spaziergänge nahmen eine neue Qualität an. Wo er sonst wie besessen über die Wanderwege geeilt war, schien er jetzt wie ein Wesen aus dem Reich König Arthurs, das nach langen Jahren in fremden Landen heimgekehrt war, über die nebelverhangenen Klippen zu schweben.
    »Mir kommt’s vor, als wäre er von einem heiligen Eid entbunden worden«, meinte Vera Hobbs vom Backshop. Aber als sie aufgefordert wurde, darüber zu spekulieren, was er geschworen oder wem er sich verpflichtet haben könnte, wollte sie nichts weiter dazu sagen. Wie das ganze Dorf hatte sie sich schon bei dem Versuch blamiert, seinen Beruf zu erraten. »Außerdem«, fügte sie warnend hinzu, »wär’s besser, ihn in Ruhe zu lassen. Sonst bleibt er nächstes Mal, wenn er den Lizard mit seiner hübschen Frau verlässt, vielleicht endgültig weg.«
    Als ein herrlicher Sommer allmählich in den Herbst überging, wurden Spekulationen über die Zukunftspläne des Restaurators zur Lieblingsbeschäftigung aller Dorfbewohner. Weil der Mietvertrag für das Cottage im September auslief und nichts darauf hinzudeuten schien, dass er ihn verlängern wollen würde, unternahmen sie einen heimlichen Versuch, ihn zum Bleiben zu überreden. Was der Restaurator brauche, beschlossen sie, sei etwas, das ihn an die kornische Küste fesseln könne: ein Job, der seine einzigartigen künstlerischen Fähigkeiten erforderte, damit er etwas anderes zu tun hatte, als über die Klippen zu marschieren. Was dieser Job genau sein und wer ihn ihm geben könnte, war gänzlich unklar, aber sie machten sich daran, diese schwierigen Fragen gemeinsam zu lösen.
    Nach langen Überlegungen kam schließlich Dottie Cox auf die Idee, ein »Festival der Schönen Künste in Gunwalloe« zu veranstalten, bei dem der berühmte Restaurator Giovanni Rossi den Ehrenvorsitz übernehmen würde. Genau das schlug sie am folgenden Morgen seiner Frau vor, als diese zur gewohnten Zeit ihre Einkäufe machte. Mrs.   Rossi reagierte darauf mit einem Lachanfall. Das Angebot sei schmeichelhaft, sagte sie, als sie sich wieder gefangen hatte, aber vermutlich nichts, worauf Signor Rossi sich einlassen werde. Wenig später lehnte er offiziell mit
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