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Der Himmel auf Erden

Der Himmel auf Erden

Titel: Der Himmel auf Erden
Autoren: Ake Edwardson
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Winter zog ihm die Mütze vom Kopf und sah auf schwarzes Haar und ein erschrockenes fremdes Gesicht, das sich ihm zuwandte.
    »Entschuldigung«, sagte Winter. Niemand schien es gesehen zu haben. Der Gitarrist hatte kein Publikum. Er erhob sich, nahm sein leeres Gitarrenfutteral und seine Gitarre und ging.
    Über Winter schwebten die Skulpturen. Er machte einen Schritt rückwärts und betrachtete die Decke, die sich von den Arkaden im Norden bis zum Platz hinzog. Vier riesige Ventilationstrommeln waren unter der Decke angebracht, wie begehbare Tunnel. Er folgte ihnen mit Blicken. Sie mündeten vor dem Kunstwerk. Durch das runde Dachfenster war der Himmel zu sehen. Die obersten Figuren waren von Spiegeln umgeben. Sie bildeten ein kreisrundes Prisma, das die Schilder der umliegenden Geschäfte spiegelte. Er sah die Bewegungen der Menschen wie schnelle Reflexe. Die weißen Körper der Skulpturen waren nackt, auf dem Weg vom Himmel zur wasserbedeckten Erde. Er hatte sie gestern zum ersten Mal betrachtet. Er war der Einzige, der nach oben schaute. Lange genug, und die Leute würden aufmerksam werden und auch nach oben schauen.
    Die Körper waren an durchsichtigen Seilen aufgehängt und in ihren Bewegungen gleichsam erstarrt.
    Einer sprang.
    Einer tauchte. Jetzt sah er ihn.
    Dort oben hing ein weiterer Körper. Den hatte er gestern nicht gesehen.
    Weiß wie die anderen, weiß wie Schnee. Jerners Züge waren erstarrt wie die der anderen. Er war in einer erfrorenen Bewegung auf dem Weg in den Himmel.
    Er hatte Arme und Beine an Seilen befestigt, die er mitgenommen hatte auf dem Weg durch das Ventilationssystem.
    Das letzte Seil hatte er sich um den Hals geschlungen. Dann hatte er sich fallen lassen. All das konnte er sich in Sekundenschnelle zusammenreimen.
    Winter schloss die Augen und schaute wieder hin. Jerner hing immer noch da in seinem toten Fall. Er flog, wie er zu seinem Bruder gesagt hatte, flog auf seine eigene Weise. Winter sah sich um, und er sah, dass er der Einzige war, der sah. Bertil war im Menschenmeer verschwunden.
    Winter schaute wieder nach oben, er konnte sich nicht dagegen wehren. Neben Jerners linker Schulter sah er im Spiegelbild H & M. Der Spiegel krümmte sich auf eigentümliche Weise, sodass er das Kleiderkarussell drinnen im Laden sehen konnte. Ein kleines Rad blitzte im Spiegel auf und etwas, das ein Seil, ein Stativ sein konnte, etwas, mitten im Karussell. Winter drehte sich um und stürzte sich durch die Menschenmasse und stürmte zu den Kleidern, die im Halbkreis davonflatterten, und zum Wagen, der dort stand. Mickes Kopf war in einem grauenerregenden Winkel geneigt, ein kleiner Arm hing schlaff an der Seite herunter und der Puls schlug nicht mehr, und Winter wusste, dass es ihm gelungen war, den Täter zu finden und dass er trotzdem zu spät gekommen war.
    *
    Im Flugzeug behielt er die Lederjacke an und die Sonnenbrille auf. Jemand sang, als sie in den schwarzen freundlichen Himmel abhoben. Jemand lachte. Er hatte sich die Ohrstöpsel des tragbaren CD-Spielers in die Ohren gesteckt und schloss die Augen. Allmählich kam der Getränkewagen bei ihm an, und er bat um vier der lächerlich kleinen Whiskyflaschen. Dann steckte er die Ohrstöpsel wieder zurück und trank und versuchte an nichts zu denken, aber es gelang ihm nicht. Er weinte hinter seinen Brillengläsern. Die Frau neben ihm wandte sich ab. Er hörte die Musik, und Miles Davis' Trompete verjagte für eine Stunde alles. Er bestellte mehr Whisky.
    *
    Er hörte eine Stimme und öffnete die Augen. Angela stand über ihn gebeugt zusammen mit jemandem in Flughafenuniform. Es waren keine Motorengeräusche mehr zu hören. Er hob einen Arm, um sich zu schützen.
    »Du bist jetzt da, Erik.« Vorsichtig nahm sie seinen Arm. »Du bist hier bei uns.«
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