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Der Highlander und der wilde Engel

Titel: Der Highlander und der wilde Engel
Autoren: Lynsay Sands
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in ihre winzige und schäbige Zelle zurückgeführt worden waren. Tagsüber hatten sie unter der sengenden Sonne für diejenigen schuften müssen, die sie gefangen genommen hatten, und abends hockten sie in ihrem finsteren, fensterlosen Kerker und redeten über Heimat und Familie. Kade hatte Will vieles, wenn nicht gar alles über seine Jugend und seinen Clan berichtet und war recht sicher, dass auch Wills Schilderungen so gut wie vollständig gewesen waren. Daher überraschte es ihn, als sie zu erzählen ansetzte und er feststellte, dass es tatsächlich noch ein Erlebnis gab, das Will offenbar nicht kannte.
    „Nun ja, so ungezogen war ich eigentlich gar nicht. Zumeist war ich artig“, beteuerte sie, als beichte sie eine Sünde. „Doch als ich fünf Jahre alt war, versuchte ich davonzulaufen ... wenngleich der Versuch nicht von Erfolg gekrönt war.“
    Sie bedachte die Äußerung mit einem verhaltenen, fast schamhaften Lachen. „Wisst Ihr, Will war fünf Jahre älter als ich, aber mein einziger Spielgefährte und anständig genug, sich nicht an der kleinen Schwester zu stören, die ihm immerfort nachsetzte. Jeden Tag nach dem Unterricht spielten wir Verstecken und vertrieben uns die Zeit mit allen möglichen Kindereien. Doch als ich fünf war, schickte man Will fort, um seine Ausbildung zu vollenden, und so verlor ich meinen einzigen Spielkameraden und zugleich meinen besten Freund.“
    Die Erinnerung rief die damals empfundene Traurigkeit in ihr wach, und sie seufzte leise. „Ich war so unglücklich. Und zudem verzogen, weil Will stets nachgegeben hatte. Ich bettelte Mutter und Vater an, ihn zurückzuholen, damit ich wieder mit ihm spielen könne. Doch sie waren meist mit anderen Dingen beschäftigt und hatten keine Zeit, das kleine Mädchen zu trösten, das seinen Bruder vermisste. Da sie ihn mir also nicht wiedergeben wollten, entschied ich kurzerhand, Stattdessen ihm nachzusetzen, so wie ich es immer getan hatte.
    Zunächst wandte ich mich an Vaters Wachhauptmann -einen äußerst gutmütigen Menschen, der immer nett zu Will und mir war. Ich flehte ihn an, mich doch bitte, bitte zu Will zu bringen. Was er natürlich verweigerte. Er erklärte mir wohlwollend, dass er dies nicht tun könne, dass mein Vater es nicht gutheißen würde. Ich allerdings hörte nur heraus, dass er nicht gewillt war, mir zu helfen, und dafür, so fürchte ich, habe ich ihm recht kräftig gegen das Schienbein getreten, ehe ich heulend in meine Kammer rannte. Meine Tränen waren noch nicht einmal getrocknet, als ich beschloss, dass ich fortgehen müsse.
    In meinem kindlichen Gemüt legte ich mir einen genauen Plan zurecht. Ich stahl mich in die Küche, stibitzte einige Pflaumen und etwas Brot, während die Köchin nicht hinsah, und nahm auch meine Lieblingsbettdecke mit - denn ich wusste, dass es ein langer Marsch sein und ich eine oder zwei Nächte unter freiem Himmel verbringen würde. Schließlich brach ich auf. Die Gemäuer von Mortagne sind von Geheimgängen durchzogen ... “ Sie stockte, und als sie fortfuhr, klang ihre Stimme zögerlich. „Das hätte ich Euch wohl nicht sagen sollen. Aber Ihr seid ja besinnungslos und hört es daher ohnehin nicht. Dennoch ... “
    Kade lauschte angestrengt, als sie wieder abbrach. Schließlich jedoch seufzte sie und fuhr fort: „Nun, Ihr werdet Euch kaum daran erinnern, wenn Ihr aufwacht, also sei’s drum ... Die Geheimgänge führen zwischen den Gemächern entlang und münden in einen Tunnel, der außerhalb der Wehrmauer endet. Man hatte Will und mir eingebläut, auf diesem Weg zu fliehen, sollte die Burg einmal angegriffen werden. So gelangte ich hinaus.
    Ich griff mir noch die Kerze aus meinem Gemach und entzündete sie in der Kammer meiner Amme - sie war alt und fror immerzu, weshalb in ihrem Kamin selbst im Sommer stets ein Feuer prasselte. Danach wagte ich mich mutig in die Gänge vor. Sie waren schauderhaft - finster und schmutzig und voller riesiger Spinnennetze. Immerzu hörte man etwas davonhuschen, und ich war überzeugt, dass es irgendwelche kleinen Wesen waren, die mich jeden Moment angreifen würden. Beinahe hätte ich schon nach den ersten Schritten wieder kehrtgemacht, um zurück in meine Kammer zu flüchten, doch ich war so verzweifelt und wollte Will unbedingt Wiedersehen, dass ich mich zwang weiterzugehen und schließlich das Ende des Tunnels erreichte.“
    Ihr leises Kichern umschwirrte Kade. „Dort habe ich mich eine ganze Weile damit abgeplagt, überhaupt nach draußen
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