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Der Highlander und der wilde Engel

Titel: Der Highlander und der wilde Engel
Autoren: Lynsay Sands
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denn die Peitsche war ein beliebtes Werkzeug bei ihren Wärtern gewesen. Gegen Ende hatte er geglaubt, er werde in diesem fremden Land sterben. Er hatte genügend Männer dieses Schicksal ereilen sehen. Alle paar Tage war ein weiterer von ihnen Hunger und Durst zum Opfer gefallen oder hatte sich zu Tode geschuftet, nur um abtransportiert und in einem offenen Massengrab versenkt zu werden.
    Kade war überzeugt gewesen, seine Tage ebenfalls in diesem Grab zu beschließen und gemeinsam mit seinen
    Landsleuten unter einer dünnen Schicht Sand zu verrotten. Als jedoch sein Cousin Ian erkrankte, hatte er genug. Krieger um Krieger hatte er an diese stinkende Grube verloren, aber Ian würde er nicht aufgeben. Er war ihm wie ein Bruder, sie waren gemeinsam aufgewachsen, und er war entschlossen, alles zu tun, um ihn zu retten - oder dabei selbst umzukommen. Zumindest würde er Ian dann nicht beim Sterben zusehen müssen. Der Plan war so simpel wie verzweifelt. Nachdem sie des Abends in ihre Zelle zurückgeführt worden waren, hieß er Ian, sich tot zu stellen, was nicht schwer war, da er durch sein Siechtum bereits leichenblass war. Daraufhin rief Kade die Wache.
    Gleich zwei der Heiden kamen, beide dunkelhäutig und mit gezogenen Schwertern. Sie untersuchten Ian gar nicht erst, sondern warfen nur durch die Gitterstäbe einen Blick auf ihn, ehe sie die Tür aufschlossen und Kade und Will anwiesen, den Toten herauszuschaffen. Kade ergriff Ians Füße, während Will dessen Arme nahm, und so trugen sie ihn aus der Zelle. Doch als sie auf Höhe der Wachen waren, ließ Kade Ians Füße fahren und griff den Mann an, der ihm am nächsten stand.
    Allein die Überrumpelung verhalf ihnen zum Sieg. Er schaffte es, dem Heiden Schwert und Schlüsselbund zu entreißen, warf Will Letzteren zu und stellte sich allein dem nun unbewaffneten Kerl vor ihm und seinem nach wie vor gerüsteten Gehilfen, bis seine Mitgefangenen befreit waren und ihm zur Hilfe kamen. Noch immer konnte er kaum fassen, dass er diese Augenblicke unbeschadet überstanden hatte. Doch das hatte er; sie alle waren unversehrt entkommen.
    „Und das Kloster in Akkon?“, bohrte Will weiter. „Du weißt doch noch, dass wir drei Monate dort verbracht haben, während Ian von seinem Leiden genas, ich mich von der Schwertwunde erholte und wir alle endlich wieder an Gewicht zulegten?“
    Kade schnitt eine Grimasse. Erst als sie die Pferde gestohlen hatten, um zu fliehen, hatte es doch noch einen Verletzten gegeben, da einer der Wachleute sie überrascht und
    Will mit dem Schwert durchbohrt hatte. Sie erledigten den Mameluken, und Will gab sich tapfer und stark, presste die Hand auf die Wunde und forderte sie auf, ohne ihn zu reiten. Doch Kade beachtete seine Worte nicht und nahm sich gar die Zeit, die Blessur so gut er konnte zu verbinden. Sie war tief, und er fürchtete, noch einen Kameraden durch Baibars’ Grausamkeit zu verlieren.
    Als sie das Kloster in Akkon erreichten und damit in Sicherheit waren, kümmerten sich die Mönche um Ian und Will. Ian erholte sich schon nach wenigen Tagen von seiner Krankheit, doch es dauerte Wochen, bis auch Will gesundet war. Anschließend verbrachten sie weitere zweieinhalb Monate innerhalb der Klostermauern, gewannen ihre frühere Kraft zurück und arbeiteten, um sich Essen und Kleidung für die weite Reise nach Hause zu verdienen. Es hatte sie noch einmal zwei Monate gekostet, um sich nordwärts nach Europa und schließlich nach Frankreich durchzuschlagen, wo sie sich, wie er sich jetzt wieder vergegenwärtigte, eingeschifft hatten, um den Kanal zu überqueren und endlich England zu erreichen.
    „Aber an die Überfahrt von Frankreich nach England entsinnst du dich nicht?“, fragte Will.
    „Doch, tue ich“, brachte Kade heraus. Vor Schmerz zuckte er zusammen. Er erinnerte sich nur zu gut daran. Das Schiff, das sie übersetzen sollte, hatte einen robusten Eindruck gemacht, und das Wetter war ruhig gewesen, als sie losgesegelt waren. Doch als sie den Kanal halb überquert hatten, zog ein Sturm auf, und Wellen, höher als die Masten, bäumten sich um sie her auf. Kade war kein Hasenfuß, aber selbst er zitterte, als diese gewaltigen Wasserwände das Schiff hin- und herwarfen. Als sie voraus endlich die Küste erblickten, konnten sie es kaum fassen, noch am Leben zu sein, und er argwöhnte, dass er nicht der Einzige war, dem sich ein Seufzer der Erleichterung entrang, als die Tortur schon überstanden schien. Doch Mutter Natur war noch nicht
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