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Der Hexer von Quin

Der Hexer von Quin

Titel: Der Hexer von Quin
Autoren: Hans Kneifel
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fand in der winzigen Kabine Yzindas noch einen halbvollen Krug Wein, trank die Hälfte und fühlte, wie seine Lebensgeister wieder erwachten. Er verließ Yzinda, die in einen unruhigen Schlaf gefallen war. Er befand sich auf der siebenten Stufe des knarrenden Niedergangs, als er von Deck aufgeregtes Rufen hörte.
    Mit einem wilden Ruck zog er sich hoch und kletterte ans Tageslicht.
    »Land voraus in Sicht!« kam es vom Topp des Hauptmastes. Und der Steuermann brüllte erleichtert:
    »Der Sturm springt um.«
    Luxon-Casson sprang an Deck. Ein Blick in die Segel zeigte ihm, daß der Wind aus Süden kam, aus der Düsterzone. Er brachte dünne Nebelschwaden mit sich, die dicht über dem Wasser den Schiffen entgegenkrochen. In wenigen Stunden würde es Nacht sein; als Luxon auf dem schwankenden Bug stand und nach vorn starrte, zeichnete sich vor dem unregelmäßigen dunkelroten Licht der untergehenden Sonne eine winzige Zackenlinie ab. Unzweifelhaft war es eine Insel oder ein Landvorsprung.
    Schon jetzt beruhigten sich die Wellen. Die Mannschaft belegte die Rahen neu und brachte die Rhiad wieder in den Wind.
    »Ich sehe das Land«, sagte Luxon ruhig, als er ins Heck zurückgekehrt war. »Es ist auf keiner Karte verzeichnet. Wahrscheinlich nur eine Insel. Tu etwas, Varamis!«
    Der Magier nickte schweigend. Er blinzelte ins rote Licht. Dann vollführte er auf dem salzverkrusteten Deck eine Art beschwörenden Tanz. Verständnislos blickten die Seeleute auf die ruckartigen Bewegungen des Mannes, der so verlottert aussah, wie es seine Magie war. Traurig hingen die Enden seines ausladenden Schnurrbarts nach unten. Luxon warf einen verzweifelten Blick hinauf zu den faserig werdenden Sturmwolken und machte einen langen Rundgang.
    Land bedeutete für die halb kranken, erschöpften und mutlos gewordenen Männer wenn nicht das ersehnte Ziel, so doch zumindest frisches Wasser, Nahrungsmittel und Ruhe.
    Luxon sprach seinen Männern Mut zu, vertröstete sie auf den folgenden Tag, an dem sie dieses Land erreichen würden. Er erzählte ihnen, daß Varamis versuchen würde, die Geheimnisse jener Insel zu enträtseln, bevor die Flotte vor Anker gehen würde. Die Rhiad fuhr einen großen Kreis aus und verringerte auf diese Weise die Entfernung zu den folgenden Schiffen. Die Flotte vereinigte sich wieder, Rauchsignale und langgezogene Hornsignale gingen von Schiff zu Schiff. Luxon erfuhr, daß im Sturm die Springfisch gesunken war; zwei Drittel ihrer Besatzung und ein Boot waren von einem anderen Segler geborgen worden.
    »Setzt überall Feuersignale für die Nacht!« ordnete Luxon an. »Es darf nicht ein Schiff mehr verlorengehen.«
    In die eisernen Vorratsbehälter wurde Lampenöl gefüllt. Die Dochte in den sturmgeschützten Metallkäfigen wurden entzündet. Rauchende Fackeln gaben Signale weiter. Der Versuch, die Schiffe genau zu zählen, blieb fruchtlos.
    Schließlich, als alle Schiffe ihre Lichter gesetzt und sich Vorfreude, Neugierde und Spannung unter den Kriegern und Seeleuten breitgemacht hatten, kam die Dunkelheit. Selbst die Orhaken im Kielraum der Rhiad witterten die Erregung ihrer Reiter und rissen die Schädel hoch.
    Weniger als einen Tag würde es dauern, bis die Schiffe anlegen konnten.
*
    Mitten in der Nacht hämmerte jemand an Luxons Tür.
    Der Shallad richtete sich auf, rief: »Tritt ein!« und zog den Docht höher aus dem Hals des Lämpchens heraus. Es wurde heller, und durch die knarrende Tür kam der Magier herein. Er breitete auf dem Klapptisch eine grob gezeichnete Karte aus.
    »Shallad«, murmelte er, sichtlich erschöpft, »ich schickte meinen Geist zur Insel, und siehe, es wurden sieben Inseln. Ich entdeckte durch meine Magie, daß die Inseln belebt sind. Böses lauert auf uns, ein Archipel voller Abenteuer, aber auch voll von Wissen über das Ziel. Ich habe auch Schiffe von uns gesehen, bedroht von unsichtbaren Mächten. Hast du einen Schluck Wein für deinen hungrigen und durstigen Magier, Shallad?«
    Luxon fand tatsächlich zwei Becher voll von sauer gewordenem Wein. Es gab nichts anderes mehr. Die Fahrt dauerte schon zu lange. Er musterte die Karte. Grob gezeichnete Umrißlinien ließen eine große, faustkeilähnliche und um sie herum sechs andere, vielgestaltige Inseln erkennen. Sonst nichts. Der Magier hielt mit zitternden Fingern den Becher an die Lippen und trank, als wäre es die größte Kostbarkeit.
    »Mehr weißt du nicht?« wollte Luxon wissen. Varamis schüttelte den Kopf und nahm den Hut ab.
    »Nein.
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