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Der Hexer von Quin

Der Hexer von Quin

Titel: Der Hexer von Quin
Autoren: Hans Kneifel
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mehr nahm das Glühen ab, aber die Stange war unverändert heiß und würde die Haut bis auf die Knochen versengen.
    Kukuar ließ sich nicht ablenken und drang langsam vor. Der Abstand zum Thron und zu Yzinda verringerte sich. Hinter seinen Fersen spürte Luxon die unterste Plattform und sprang darauf. Er warf sich zur Seite, als das Ende des Speeres in Kniehöhe heransauste. Er schlug mit aller Macht mit dem Schwert zu, die Stange krachte gegen den Stein und wurde aus den Händen Kukuars geprellt.
    Noch ehe sich der Zauberer bücken konnte, schrie Yzinda gellend auf. Beide Männer unterbrachen augenblicklich ihren Kampf und wandten sich der Coltekin zu.
    »Sieh, Kukuar«, schrie Luxon entsetzt. »Wieder hat sich ein Dämon ihrer bemächtigt.«
    Yzindas Schrei riß nicht ab.
    Er erfüllte das riesenhafte Gemäuer mit gellenden und grellen Echos. Sie taumelte hin und her. Ihre Arme fuhren hoch, ihre Hände berührten die Stirn. Zwischen den Fingern stieg dünner Rauch in die Höhe, während Yzinda langsam zusammenbrach, halb aufgerichtet auf den Knien blieb und ihren Körper hin und her bewegte. Der Rauchfaden wurde stärker; ein grauenhafter Geruch nach schwelender Haut oder nach Horn verbreitete sich. Das Schreien ging in ohnmächtiges Gurgeln und Wimmern über, als der Rauch aufhörte. Die Coltekin brach auf den Stufen vor dem Thron zusammen, ein Arm schlug hilflos zur Seite und auf den Stein.
    Luxon blieb neben ihr stehen und suchte den Blick des Zauberers.
    »Ihr Drittes Auge ist verbrannt, auch ohne daß du sie mit dem Stab berührt hättest.«
    In dem glatten Gesicht zeichnete sich zum erstenmal Verwirrung ab. Der Zauberer sagte dumpf:
    »Das HÖCHSTE hat sie verlassen.«
    Er konnte seine Augen nicht von dem Anblick losreißen, der sich ihm hier bot. Alles andere schien vergessen. Es zählten nur die drei Menschen in der Thronhalle. Leise Geräusche kamen von weit draußen herein; es schienen Äußerungen einer ganz anderen Welt zu sein. Die erkaltende Lanze sonderte einen ätzenden Geruch ab, der sich mit dem Geruch der verbrannten Haut zu einem abscheulichen Duft vermengte. In den Sonnenstrahlen tanzten Stäubchen.
    Kukuar war einige Fingerbreit kleiner als der Shallad. Als sich der Zauberer mit dem muskulösen Oberkörper bewegte, faßte Luxon das Schwert wieder fester.
    »Noch mehr Kampf?« fragte er kühl und herausfordernd.
    »Nein. Sie ist gestraft.«
    Kukuar schüttelte den Kopf und schob Luxon zur Seite. Der Shallad war fast sicher, daß Yzinda nicht mehr lebte. Der Zauberer kniete auf der untersten Stufe und schob vorsichtig die Hand Yzindas von ihrer Stirn weg. Über der Nasenwurzel Yzindas zeigte sich eine daumennagelgroße, verbrannte Hautstelle, bedeckt mit Brandblasen und trockenem Blut.
    »Sie ist wie tot! Was ist geschehen? Hast du etwas getan…?« fragte Luxon. Wieder schüttelte Kukuar seinen Kopf und zog das breite rote Band von seiner eigenen Stirn.
    »Auch mein Drittes Auge wurde ausgebrannt!« sagte er leidenschaftlich.
    In seiner Stirn befand sich eine runde, vernarbte Fläche. Die Narben und die neu gebildete Haut hoben sich scharf von der bronzefarbenen Haut des Gesichts ab. Luxon verstand nichts mehr. Er schob nach kurzem Zögern das Schwert in die Scheide zurück und sagte:
    »Zuerst zu meinen Leuten, Zauberer! Ich bitte dich, den Nebel zu lichten oder zu zerstreuen. Löse ihn auf, damit sie uns finden.«
    »Er läßt bereits nach. Ihr habt mich gefunden«, meinte Kukuar. »Meine Versuche, euch zu erschrecken und zurückzuwerfen, galten nur ihr.«
    Er deutete auf die bewußtlose Yzinda.
    »Warum?«
    »Deine Gefährten werden sich unversehrt beim Stadttor treffen oder in dessen Nähe«, sagte Kukuar.
    »Welche Gefahr brachte Yzinda mit sich?« stellte Luxon erneut seine Frage.
    »Das Dritte Auge, von dem das HÖCHSTE verkörpert wird. Sie war ein Werkzeug der verdammenswerten Machthaber des Zaketerreiches.«
    »Ich höre nicht ohne Zufriedenheit, daß du nicht gerade ein Freund der Zaketer bist.«
    »Ich teile ohne Zweifel das Schicksal vieler Frauen und Männer, die einer Intrige zum Opfer gefallen sind.«
    Kukuar klatschte dreimal in die Hände.
    Aus dem schmalen, unauffälligen Durchgang, aus dem auch Kukuar mit seiner glühenden Waffe hervorgekommen war, liefen ein halbes Dutzend Mädchen und Frauen heraus. Wortlos deutete Kukuar auf Yzinda, schließlich befahl er in ruhigem Ton:
    »Bringt sie in die Häuser der Duinen, pflegt sie und versucht, ihr die Furcht zu nehmen. Sie wird
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