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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter
Autoren: Oliver Pötzsch
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bereits gefragt, wo du steckst. Hast du deinen Schwiegervater gesehen?«
    Simon blickte ihn treuherzig an. »Ich dachte, er hätte sich bei Euch gemeldet, wegen der Vorkommnisse gestern. Hat er nicht?«
    »Nein, verflucht, das hat er nicht.« Leopold von Wartenberg winkte seufzend ab. »Aber im Grunde ist es mir auch egal, was dieser Henker treibt. Sollen sich die Schwarz­kittel um ihn kümmern. Die Eingänge zu diesen vermaledeiten Katakomben habe ich zuschütten lassen, die Reliquienfälscher sind abgeführt. Damit ist meine Aufgabe hier erledigt.« Er zögerte kurz. »Eigentlich bin ich ohnehin nicht wegen dieses Henkers, sondern wegen meines Sohnes hier.«
    »Geht es ihm denn besser?«, fragte Simon mit klopfendem Herzen. »Hat das Jesuitenpulver gewirkt?«
    Leopold von Wartenberg nickte. »Ja, er scheint tatsächlich über den Berg zu sein. Das Fieber ist weg. Ich … ich habe dir zu danken.« Er straffte sich. »Deshalb will ich dir auch ein Angebot machen.«
    Simon runzelte die Stirn. »Und das wäre?«
    »Wir reisen noch heute zurück nach München«, erklärte der Graf mit jovialer Stimme. »Meine Familie könnte einen Arzt wie dich gut gebrauchen. In unserem Palais sind noch ein paar Zimmer frei, und die Bezahlung würde dein jetziges Gehalt bestimmt um ein Zehnfaches übersteigen. Du könntest dich um meinen Sohn kümmern, ein paar reiche Patienten übernehmen und ansonsten ein angenehmes Leben führen. Na, wie wäre das?«
    In Simons Kopf rauschte das Blut. War das möglich? Konn te er, der sein Ingolstädter Medizinstudium abgebrochen hatte und mittlerweile als ehrloser Bader arbeitete, sich wirklich als Arzt in München niederlassen? Dies war genau der Posten, den sein verstorbener Vater sich immer für ihn gewünscht hatte! Und der Graf kannte bestimmt Mittel und Wege, ihm die nötige Approbation zu besorgen.
    »Du zögerst?«, fragte Leopold von Wartenberg.
    »Nein, nein, es ist nur …« Simon schüttelte lachend den Kopf, doch dann sah er den Grafen plötzlich besorgt an.
    »Und meine Frau und meine Kinder?«, fragte er leise. »Was ist mit denen?«
    »Diese Henkerstochter?« Leopold von Wartenberg zog seine buschigen Augenbrauen nach oben. »Ein ehrloses Weibsbild und zwei ebenso ehrlose Bälger, in meinem Haus? Wie stellst du dir das vor?« Kurz überlegte er. »Nun gut, ich könnte mich dazu hinreißen lassen, dass du sie gelegentlich besuchen dürftest. Sie könnten vielleicht im Münchner Gerberviertel hausen, und du würdest ihnen die erste Zeit ein wenig Geld zukommen lassen.« Der Graf schmunzelte. »Aber Liebe kommt, Liebe geht. Ich bin sicher, du findest schon bald eine andere Frau, eine aus besseren Kreisen.«
    Simon wiegte den Kopf, so als würde er nachdenken. »Nun …«
    Leopold von Wartenberg zwinkerte ihm schelmisch zu. »Unsere Kutsche fährt mittags vom Kloster ab«, sagte er. »Du könntest mit unserem Tross fahren. Na, was ist?«
    »Das … ist wirklich sehr großzügig von Euch«, begann der kleine Medicus zögernd. »Aber … äh, ich fürchte, München wird ohne mich auskommen müssen.« Er straffte sich plötzlich und rümpfte die Nase, beinahe ebenso wie der Graf, als er das Hospital betreten hatte. »Tut mir leid, doch es stinkt mir in Eurer Stadt eindeutig zu sehr nach Parfum. Gehabt Euch also wohl.«
    Simon machte eine kleine Verbeugung, dann tänzelte er zum Ausgang. Aus dem Augenwinkel heraus sah er den Grafen, der mit offenem Mund, wie ein nach Luft schnappender Karpfen, in der Mitte des Hospitals stand. Er brachte keinen Ton hervor.
    »Wir sehen uns in Schongau!«, rief Jakob Schreevogl dem Medicus nach. »Und grüßt mir Eure Magdalena. Sie ist bei Gott das schönste und eigenwilligste Weibsbild im ganzen Pfaffenwinkel!«
    Simon lächelte, dann atmete er tief die Andechser Luft ein, die noch nach dem Feuer der vergangenen Nacht roch. Darunter lag ein feines Aroma von gekochtem Kohl, Schweiß, Biermaische und einem Hauch Weihrauch.
    Es war der Geruch von Menschen, und Simon liebte ihn.
    *
    Nepomuk zuckte zusammen, als sich die Tür zu seinem Kerker einen Spaltbreit öffnete. Licht blendete ihn, so dass er die Augen zusammenkneifen musste. Sie hatten ihn heute früh aus seinem Loch geholt und in diese geräumigere Zelle gesperrt. Zwar gab es immer noch kein Fenster, und das Stroh roch, als wäre es seit Jahren nicht mehr gewechselt worden. Aber dafür hatte er Platz genug, sich auszustrecken, er hatte frisches Wasser und einen Kanten Brot bekommen, und es gab
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