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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter
Autoren: Oliver Pötzsch
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zu seinen Füßen um einen Holzkreisel balgten.
    »Im Grunde ist es doch genau das, was der Prior immer gewollt hat«, sagte er schließlich und schüttelte das Wasser aus seinen Haaren. »Ein neues Kloster. Dafür haben er und der Bibliothekar doch all die Monstranzen, goldenen Kelche und Silberschreine eingeschmolzen – um das Geld für einen solchen Bau zusammenzusparen.«
    »Davon werden sie aber nichts mehr haben. Wartenbergs Soldaten haben die beiden noch vor dem Morgengrauen nach Weilheim gekarrt. Dort wird ihnen schon bald der Prozess gemacht.« Magdalenas Lippen wurden schmal. »So wie mir der Vater diesen Meister Hans beschrieben hat, werden sie sich schon bald wünschen, tot zu sein.«
    »Und Nepomuk?«, warf Simon nachdenklich ein.
    Magdalena reichte ihm ein frisches Leintuch, um sich abzutrocknen. »Der Abt hat versprochen, sich um seine Freilassung zu bemühen. Die Folter wird solange ausgesetzt«, erwiderte sie mit einem Augenzwinkern. »Mein Vater ist bereits auf dem Weg nach Weilheim, um Nepomuk die Nachricht selbst zu überbringen. Der schlaue Hund hat das Chaos hier genutzt und sich aus dem Staub gemacht. Schließlich wird er immer noch gesucht.« Sie lächelte. »Pater Maurus will sich jedoch dafür einsetzen, dass er wegen des toten Jägers nicht weiter belangt wird. Die anderen Büttel haben offenbar zugegeben, dass sie ihren eigenen Kameraden mit der Armbrust getroffen haben.«
    »Dann bleibt Maurus nun doch der Abt des Klosters?«, fragte Simon.
    »Nun, der Prior wird es sicher nicht. Und sonst gibt es keinen, der ihm das Amt streitig machen würde.«
    »So oder so, wir werden wohl auch nicht mehr lange hierbleiben.« Simon zog sich seinen alten, vom gestrigen Regen noch feuchten Rock an und schlüpfte in die Stulpenstiefel, die an den Spitzen leicht verbrannt waren. »Aber eines gibt es noch, das ich erledigen muss«, sagte er. »Ich hätte es schon viel früher tun sollen, aber dann kam dies alles hier dazwischen. Ich bin bald wieder da. Versprochen.«
    Mit einem letzten Lächeln verschwand er in der Tür.
    »Simon!« Magdalena schürzte ihren Rock und lief ihm hinterher in den Garten. Doch sie sah nur noch, wie ihr Mann den nassen, in der Sonne dampfenden Pfad Richtung Kloster ging. »Warte, ich wollte dir noch etwas sagen! Wir …«
    Seufzend winkte sie ab und schaute ihre Kinder an, die sich von der Balgerei müde die Augen rieben. »Euer Vater wird sich wohl nie ändern«, sagte sie und strich den Buben über den Kopf. »Seine Schuld. Dann erfährt er es eben nicht. Wir können das Geheimnis auch gut noch eine Weile für uns behalten, nicht wahr?«
    Die Kinder drückten sich an ihre Beine, und Magdalena spürte einen heißen Knoten, der in ihrem Magen brannte. Mit einem leisen Lächeln im Gesicht ging sie zurück in die Stube.
    Auch wenn die Kirche abgebrannt war – sie würde noch heute der heiligen Walburga eine Kerze stiften.
    Auf wackligen Beinen eilte Simon auf den Heiligen Berg zu, der unter dem strahlend blauen Himmel wie ein gigantischer Kohlenmeiler aussah.
    Die Brände waren zwar alle gelöscht worden, doch noch immer stiegen vom Klostergelände etliche Rauchsäulen empor; viele der Gebäude waren nur noch schwarze Skelette. Dazwischen wühlten Mönche und Einheimische nach den wenigen Dingen, die noch brauchbar waren. Auch die Apotheke und das Haus des Uhrmachers waren ein Raub der Flammen geworden. Vor manchen Gebäuden konnte Simon Handwerker sehen, die den Schaden begutachteten und sich offenbar ausrechneten, wie viel Holz, Stein, Nägel und Stuck e s benötigte, um das alles hier wieder aufzubauen. So schlim m der Brand für das Kloster auch war, für die vom Krieg verarmten Leute aus der Gegend war der Wiederaufbau ein Füllhorn. Geld würde reichlich fließen; wen kümmerte es da, dass dieses Geld mit Hilfe von eingeschmolzenen Reliquien angehäuft worden war.
    Auch eine Art Wunder , dachte Simon grimmig. Vielleicht hat der liebe Herrgott ja gewollt, dass die Kirchenschätze auf diese Weise wieder unter die Leute kommen.
    Endlich hatte der Medicus sein Ziel erreicht. Vor ihm lag das Hospital, das noch vor gut einer Woche ein stinkender Pferdestall gewesen war. Erleichtert konnte Simon feststellen, dass hier die Schäden eher gering waren. Einige der Dachschindeln waren angesengt, auf dem Vorplatz rauchten noch ein paar Aschehaufen, doch offensichtlich lagen die Kranken bereits wieder in ihren Betten.
    Als Simon auf die Tür zuschritt, wurde sie plötzlich von innen
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