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Fey 08: Im Zeichen der Schwerter

Fey 08: Im Zeichen der Schwerter

Titel: Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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    Rugad konnte nicht schlafen. Er saß auf seinem Balkon und starrte über die dunkle Stadt hinüber zum Fluß. Die Nacht war pechschwarz. Es gab keinen Mond, und die Sterne funkelten nur schwach am Himmel. Rugad konnte den Cardidas nur erkennen, weil er sich wie ein schwarzes Band durch die Ruinen der Stadt wand. Er konnte ihn auch hören. Gurgelnd suchte er sich seinen Weg zum Infrin-Meer.
    Rugad hatte nicht einmal sein Nachtgewand angelegt. Er trug seine gewöhnlichen Kleider, und an seiner Hüfte baumelte das Gefäß mit seiner Stimme. Beim Schlafen band Rugad das Gefäß los, weil er Angst hatte, es könne sich während seines Schlafs öffnen, aber sobald er wach war, trug er es wieder bei sich.
    Rugad hatte aufgehört, die Tage zu zählen, aber er wußte, daß es noch nicht besonders lange her war, seit Feder ihm die Nachricht überbracht hatte, daß der Golem gefangen war. Allerdings hatte der Irrlichtfänger angenommen, daß es sich dabei um Rugads Urenkel handelte. Wie auch immer, Rugad wollte nicht, daß die Soldaten davon erfuhren. Er hatte Feder zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet, ihm die Beförderung auf einen verantwortungsvolleren Posten versprochen und ihn wieder weggeschickt.
    Rugad wollte dem Golem allein gegenübertreten. Einen Golem, besonders einen, der über zwei Jahre alt geworden war, gab es nicht oft. Dieser hier war schon achtzehn Jahre alt und bereits einmal zersprungen. Er besaß eigene Kräfte, die es ihm erlaubten, so lange am Leben zu bleiben.
    Eigene Kräfte.
    Rugad würde herausfinden, was das für Kräfte waren. Mit etwas Glück wußte der Golem selbst nicht darüber Bescheid. Das verschaffte Rugad einen zusätzlichen Vorteil.
    Aber Rugad war ungeduldig. Er hatte den Golem erst einmal gesehen, als dieser König Nicholas das Leben gerettet und ihm in der auf seine Explosion folgenden Verwirrung die Flucht ermöglicht hatte. Dahinter steckte eine Geschichte. Eine Geschichte, die Rugad bald erfahren würde.
    In den Wochen seiner Genesung hatte Rugad schon ganz andere Dinge herausgefunden. Er hatte sich über die Stellung des Golems in der Gesellschaft der Inselbewohner informiert. Die Inselbewohner hielten den Golem tatsächlich für den echten Sohn des Königs.
    Wie viele Kulturen, die Rugad sich während seiner Regierungszeit als Schwarzer König unterworfen hatte, lebten die Inselbewohner im Patriarchat. Zu keinem Zeitpunkt ihrer Geschichte waren sie klug genug gewesen, einer Frau das Herrscheramt zu übertragen. Das königliche Geschlecht pflanzte sich ausschließlich durch männliche Nachkommen fort. Nur Männer hatten das Recht, königliche Erlasse zu erteilen.
    Selbst wenn Rugads Urenkelin, jenes Mädchen mit den klaren Augen und der unglaublichen Willenskraft, zum Regieren bereit wäre, konnte sie es nicht.
    Man würde sie nicht lassen.
    Nicholas würde eher den Golem an ihrer Stelle auf den Thron setzen als seinen von Fey erzogenen Sohn.
    Das war genauso aufschlußreich.
    Während er ans Bett gefesselt war, hatte Rugad sich gefragt, wie Nicholas mit einem Golem als Sohn die königliche Erbfolge fortsetzen wollte. Ein Golem bestand buchstäblich aus Stein. Falls er eigene Zauberkraft besaß, wie es bei diesem hier der Fall zu sein schien, konnte er ein beträchtliches Alter erreichen, aber das machte seinen Mangel an Intelligenz nicht wett.
    Hatte Nicholas etwa vor, die Kinder seiner Tochter als die des Golems auszugeben? War so etwas angesichts der Schar der Dienstboten im Palast überhaupt möglich?
    Nicht, daß das noch eine Rolle spielte.
    Jetzt gehörte die Blaue Insel Rugad, und Nicholas’ verwickelte Pläne bezüglich seiner Kinder kamen Rugad zugute. Er hatte das Geschöpf gefangen, das die Inselbewohner für ihren Thronerben hielten.
    Den Erben.
    Je nachdem, wieviel von seiner Magie er den Mysterien und den Mächten verdankte, war ein Golem nicht viel mehr als eine blankgeputzte Schiefertafel. Rugad wußte zwar, daß dieser Golem anders war, aber trotzdem hatte Nicholas ihn im Stich gelassen. So behandelte man keinen aktiven Golem, der über eine eigene Persönlichkeit verfügte.
    Der Golem war zusammen mit einem Schwarzkittel in der Nähe des niedergebrannten Tabernakels angetroffen worden. Seine »Familie« war nirgends zu sehen. Es war der Schwarzkittel gewesen, der den Golem gerettet und weggebracht hatte.
    Vielleicht war dieser Golem gar keine Schöpfung der Fey. Vielleicht war er es zwar ursprünglich gewesen, verdankte aber einen Großteil
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